Historical Weihnachtsband 1990
MacKenzie heute nicht an der Windmühle arbeitete.
Über den Hof eilte sie zum Viehstall.
„Mr. MacKenzie! Mr. MacKenzie!" Dort war er ebensowenig.
Sie ging wieder hinaus, legte die Hand schützend über die Augen und schaute sich um. Da entdeckte Melinda ihn beim Pferch. Er hatte einen Fuß auf eine Zaunlatte gestellt und betrachtete die Pferde, die darin herumliefen. Zwei Männer standen bei ihm, einer der Cowboys, der beim Frühstück dabeigewesen war, und ein Mann, den sie noch nie gesehen hatte.
Mit großen Schritten ging Melinda auf sie zu. „Mr. MacKenzie!"
Alle drei Männer fuhren herum und sahen sie an. Daniel MacKenzie riß erstaunt die Augen auf und konnte sich eines Grinsens nicht erwehren. Kampfbereit kam seine neue Haushälterin auf ihn zu, doch wurde der ganze Eindruck verdorben durch den Mantel, der lächerlich weit an ihr herunterhing. Außerdem war ihr Gesicht schmutzverschmiert und ihr Haar staubig und zerzaust. Halb hatte es sich aus der sorgfältigen Frisur vom Morgen gelöst.
Neben Daniel murmelte Will Moore, der Vorarbeiter: „Diese Frau sieht schlimmer aus als eine nasse Henne."
„Über irgend etwas ist sie aufgebracht", stimmte Strack, der Cowboy, an MacKenzies anderer Seite zu.
„Ich glaube, ich habe noch etwas im Haus zu erledigen", beschloß Will. Er hatte diesen Blick schon öfter in den Augen seiner Lula gesehen und nicht die Absicht, sich eine Strafpredigt anzuhören, die nicht einmal an ihn gerichtet war.
„Äh, ja." Auch Strack stahl sich davon. „Mir ist gerade eingefallen, daß ich noch Arbeit im Stall zu tun habe."
„Feiglinge", murmelte MacKenzie, sobald sich die beiden Männer davongemacht hatten. Das Lachen ließ sich nicht völlig von seinem Gesicht verbannen, und er verspürte eine gewisse Erwartung, als er sich Mrs. Ballard stellte.
Melinda sah die belustigte Miene, was ihren Zorn nur noch heller aufflammen ließ.
Was fand er nur so erheiternd daran, daß sie hätte platzen mögen vor Wut? Zwei Schritte vor Daniel MacKenzie blieb sie stehen und stemmte die Hände in die Hüften. „Mr. MacKenzie, Ihr Haus ist eine Schande!"
„Wie bitte?"
„Sie haben ein wunderschönes Haus, und Sie lassen es völlig verkommen. Noch nie habe ich einen so erbärmlichen Anblick gesehen."
„Tut mir leid, wenn das Haus nicht Ihre Zustimmung findet", bemerkte er trocken.
„Niemandes Billigung würde es finden, es sei denn die eines Blinden!" gab Melinda heftig zurück. „Das Haus ist verdreckt! Wie Sie ein so hübsches Gebäude in einen solchen Zustand geraten lassen können, werde ich nie begreifen. In Ihrem Wohnzimmer haben sich Mäuse eingenistet. . . Mäuse! Und die Küche ist erbärmlich. Nicht einmal die grundlegendsten Vorräte sind vorhanden. Das Mehl ist alle, die Kartoffeln haben Triebe, die so lang sind wie meine Hand, und im Zucker wimmelt es vor Ameisen. Im Hühnerstall gibt es keine Hühner, im Viehstall keine Milchkuh, und nirgendwo ist auch nur ein einziges Glas eingemachtes Gemüse oder Obst zu finden. Was erwarten Sie, wovon ich ein Essen kochen soll? Heute abend könnte ich nicht einmal eine Person satt bekommen, geschweige denn einen Haufen halbverhungerter Cowboys!"
„Was glauben Sie denn, wozu ich Sie eingestellt habe, zum Teufel?" erwiderte MacKenzie. „Machen Sie das verflixte Haus sauber!"
„Ich habe ja nichts, womit ich putzen könnte! Keine einzige Flasche Ammoniak ist zu finden. Offensichtlich ist auch schon lange keine mehr dagewesen. Es gibt kein Wachs, kein . . ."
„Dann kaufen Sie welches! Kaufen Sie soviel Mehl, wie Sie wollen und was Sie sonst noch brauchen. Warum jammern Sie mir etwas vor? Sie sind diejenige, die jetzt dafür verantwortlich ist. Schreiben Sie eine Einkaufsliste, und schicken Sie einen der Männer damit in die Stadt, oder lassen Sie sich von einem hineinfahren."
Melinda wollte etwas entgegnen, doch dann verzichtete sie darauf. Sie kochte innerlich immer noch und hätte gern weitergeschimpft, aber ihr wurde bewußt, daß Daniel MacKenzie ihr den Wind aus den Segeln genommen hatte. Ihre Erwartung, daß er murren und nörgeln würde, weil er einen ganzen Stapel Vorräte kaufen sollte, hatte sich nicht bewahrheitet. Ebensowenig verteidigte er den Zustand seines Hauses und seiner Vorratskammer. Statt dessen trug er ihr einfach auf zu kaufen, was sie brauchte. Damit deutete er unterschwellig irgendwie an, Melinda wäre unfähig, einen Haushalt zu führen. Das war einfach ärgerlich. „Trotzdem brauche ich noch ein
Weitere Kostenlose Bücher