Historical Weihnachtsband 1990
kennenzulernen. Ich bin Melinda Ballard."
„Nennen Sie mich Lula. Wir werden uns bald gut kennenlernen, denn wir sind die einzigen Frauen im Umkreis von mehreren Meilen", erwiderte Mrs. Moore.
Melinda bat Lula herein. Erstaunt schaute sich diese in der Küche um, bevor sie ein völlig undamenhaftes Pfeifen ausstieß. „Donnerwetter, da haben Sie ja das reinste Wunder bewirkt!" rief sie aus.
Das entlockte Melinda ein Lächeln. Nur eine andere Frau konnte ermessen, was es bedeutet hatte, diese Küche zu reinigen. „Vielen Dank." Sie setzte eine Kanne mit Wasser auf den Herd, um Kaffee zu kochen. Dann setzte sie sich zusammen mit Lula an den Tisch, und sie lächelten sich gegenseitig an. „Es ist wunderbar, eine Frau in der Nähe zu haben", sagte Melinda.
„Ja, nicht wahr? Manchmal habe ich es so satt, nichts außer Männern und Kindern und Kühen um mich zu haben, daß ich schreien könnte." Verschwörerisch lachte Lula sie an. „Eigentlich habe ich nicht vorgehabt, heute früh schon vorbeizukommen.
Ich wollte Ihnen erst Gelegenheit geben, sich einzugewöhnen. Aber dann hat mir Will von dem Streit mit Mr. MacKenzie erzählt, und ich mußte Sie einfach kennenlernen. Mir ist noch keine Frau begegnet — und auch nicht viele Männer —, die mutig genug gewesen wären, es mit Daniel MacKenzie aufzunehmen."
Röte stieg Melinda in die Wangen. „Ach, du meine Güte. Sie müssen mich für schrecklich halten, weil ich eine solche Szene gemacht habe. Ich hätte warten sollen, bis ich unter vier Augen mit ihm reden kann. Mein Temperament ist wieder mal mit mir durchgegangen."
Mrs. Moore lachte. „Entschuldigen Sie sich nicht dafür! Es ist das Beste, was auf dieser Ranch passiert ist, seit Jimmy eine sieben Fuß lange Klapperschlange erlegt hat. Das ist das erste Mal, daß Daniel einer Frau begegnet, die ihm die Stirn bietet.
Ich erinnere mich, als Will und ich damals hierhergekommen sind, waren drei Haushälterinnen hintereinander hier. Wenn Daniel sie angeschrien hat, haben sie nur geweint oder gekündigt oder beides. Wie es heißt, soll eine dabeigewesen sein, die tapfer genug war, ihm die Meinung zu sagen. Aber sie hat es schließlich so satt bekommen, daß sie ebenfalls gegangen ist. Sie sagte, sie hätte keine Lust, ihr Witwentum im Streit mit einem weiteren Mann zu verbringen."
Die beiden Frauen kicherten fröhlich. „Deshalb sind seitdem nur noch Männer hiergewesen", endete Lula.
„Ich weiß", stellte Melinda trocken fest. „Das kann ich aus dem Zustand des Hauses ablesen."
Lula schüttelte den Kopf. „Armes Ding. Um diese Putzarbeit beneide ich Sie nicht.
Wissen Sie was, ich schicke Ihnen meine Älteste, Opal, damit Sie Ihnen ein paar Tage lang hilft."
„Das ist sehr nett von Ihnen, Lula", bedankte sich Melinda freundlich.
Lula machte eine wegwerfende Handbewegung. „Keine Ursache."
Das Wasser kochte, und Melinda stand auf, um den Kaffee aufzubrühen und ihnen beiden je eine Tasse voll einzugießen. Eine Weile nippten sie und Lula schweigend ihren Kaffee, doch Lula Moore war kein Mensch, der lange ruhig bleiben konnte.
Bald unterhielten sie sich über ihre Kinder, die Ranch, Lulas Mann und was ihnen sonst noch so einfiel. Als nächstes wandte sich die Unterhaltung Daniel MacKenzie zu. Melinda berichtete, wie schroff er reagiert hatte, als er herausfand, daß sie ein Kind hatte.
Traurig schüttelte Lula den Kopf. „Für Kinder hat er nichts übrig, das stimmt. Aber das ist nicht so, weil Daniel ein böser Mensch wäre oder weil er etwas gegen Ihren Jungen hätte. Es ist nur . . . nun, ich will ja nicht klatschen, doch vermutlich sollten Sie über Daniel Bescheid wissen, damit Sie ihn besser verstehen. Vielleicht regen Sie sich nicht so auf über die Dinge, die er tut und sagt, wenn Sie wissen, was ihm passiert ist."
Melinda wurde neugierig. „Was ist geschehen?" Sie senkte die Stimme und beugte sich vor, genau wie Mrs. Moore.
„Nun, das war lange, bevor Will und ich hierhergekommen sind. Ich habe die Geschichte also auch nur aus zweiter Hand. Daniel ist einer der ersten gewesen, die sich im Panhandle niedergelassen haben, schon in den späten siebziger Jahren.
Damals war er ein junger Mann, noch nicht einmal zwanzig. Wie ich gehört habe, ist sein Vater ein reicher Mann im Osten gewesen, der Daniel zu ein paar Cousins geschickt hat, die südlich von hier
eine Ranch hatten. Daniel war schon immer ein wenig kränklich, und . .
„Kränklich?" wiederholte Melinda erstaunt, wobei sie
Weitere Kostenlose Bücher