Historical Weihnachtsband 1990
sich leicht und frei.
In der Locust Street fuhren sie an Hetty Pickering in Begleitung von Asa Webb vorbei. Sie trugen ihre Schlittschuhe in der Hand, und Hettys Pelzhut saß fest auf ihrem Kopf. Sie wirkte erschrocken, als sie sah, wen Jack Gates begleitete. Asa winkte, als sie vorbeifuhren, und Mary lächelte ihm zu.
„Hat das Pferd ihr wirklich den Hut vom Kopf gezogen?" fragte Mary Gates.
Er nickte. „Hm", bestätigte er.
„Das muß lustig gewesen sein", meinte sie fröhlich.
„Ja, das war es auch", gestand er und fiel in das Lachen ein.
Gray hatte nicht gelogen. Er hatte ebenso gelacht wie die anderen, doch hatte seiner Heiterkeit die Freude und Unbeschwertheit gefehlt, die sie nun hatte. Den ganzen Abend über hatte ihn das Bild nicht verlassen, wie sie blaß und angestrengt zu Boden geblickt und sein Angebot zurückgewiesen hatte, bei ihr zu bleiben. Wie ein Verräter war er sich vorgekommen, weshalb er die Schlittenfahrt nicht genießen konnte, bei der sie gezwungenermaßen nicht dabeisein durfte. Obwohl er mit Annabella gelacht und geflirtet hatte, war das mehr aus Gewohnheit geschehen als aus einem echten Wunsch heraus.
Hatte er deshalb darauf bestanden, sie an diesem Tag zu begleiten, weil er sich von der Last seines schlechten Gewissens befreien wollte? Oder war der Grund eher in etwas Näherliegendem zu suchen, zum Beispiel in der Empfindungslosigkeit der Familie Marys Gefühlen gegenüber? Was es auch sein mochte, die Last, die ihn am Vorabend und beim Frühstück bedrückt hatte, war verschwunden. Voll Genuß und Erwartung atmete er tief die kalte Luft ein. Der Duft und die Beschaffenheit der Luft erinnerten ihn an Wisconsin, und ihm ging auf, wie lang es her war, seit er zum letztenmal gute Landluft genossen hatte.
Denn sie waren nun auf dem Land. Er hatte Marys Hinweis befolgt und war von der Hauptstraße abgebogen und dann noch einmal in eine schmale Gasse. Den Häusern dort fehlten die klassischen Linien der feinen Villen in der Stadt. Statt dessen zeigten sie die typische einfache Zweckmäßigkeit jener Häuser, die im vorangegangenen Jahrhundert gebaut worden waren, als Northampton noch ein Bauerndorf gewesen war.
Zwischen den einzelnen Häusern lagen Obstgärten, und weite Felder erstreckten sich durch das Tal bis an die schiefergrauen Berge im Hintergrund. Holzrauch ringelte in Schwaden aus jedem Schornstein, und sein würziger Duft erreichte auch die Straße. In einem Hof sahen sie einen Bauern mit einem Eimer voll dampfender Milch in seine Küche gehen. In einem anderen machten mehrere Kinder eine Schneeballschlacht, wobei ihre schrillen Stimmen von der Weite des Himmels gedämpft wurden. Wieder wurde Jack von Sehnsucht erfüllt, und er spürte, wie alte Erinnerungen auf ihn eindrangen.
Hier draußen gab es keine Bürgersteige mehr und nur wenig Wagenspuren auf der Straße. Schließlich blieb nur eine übrig, die von Mrs. Judds Sohn, dem Kohlenhändler, die in den letzten Hof auf der linken Seite einbog, von wo aus sie wieder in die Stadt zurückführte. Ohne Marys Anweisung zu brauchen, bog Jack ebenfalls links ab und brachte die Kutsche an der Stelle zum Stehen, die der Kohlenwagen freigemacht hatte. Er befestigte die Zügel und ließ dann den Blick wandern, um das Haus und seine Umgebung genauso zu betrachten.
Es stand ein Stück von der Straße entfernt. Davor erstreckte sich ein Garten, und dahinter befand sich der Stall, der durch einen Schuppen mit der Küche verbunden war, damit der Bauer
auch bei tiefem Schnee zu seinen Tieren gelangen konnte. Das Haus war im alten Stil erbaut und hatte drei Stockwerke. An der Rückseite war ein Anbau, durch den das steile Dach einseitig wurde, da es an der Rückseite ein Stockwerk tiefergezogen war.
An der Vorderseite zog sich eine Veranda entlang, die anscheinend erst in diesem Jahrhundert hinzugefügt worden war. Ihr flaches Dach senkte sich unter der Last der Schneedecke. Auch konnte der Schnee weder die schiefhängenden Fensterläden noch die abblätternde Farbe, noch überhaupt den allgemeinen Eindruck des Verfalls verbergen.
„Es ist tatsächlich alt", murmelte Gates.
„Ziemlich", stimmte Mary zu. „Grandfathers Ururgroßvater hat es 1705 gebaut. In jenen Tagen hat es noch Indianerüberfälle gegeben. Ich kann Ihnen ein Geheimzimmer zeigen, das er sich und seiner Familie als Versteck gebaut hat.
Damals ist das üblich gewesen."
„Und mußten sie es benutzen?" fragte Gates.
„Nein." Mary schüttelte den Kopf.
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