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Historical Weihnachtsband 1990

Titel: Historical Weihnachtsband 1990 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Graham
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anspruchslos und rührte ihn dennoch auf eine Art, die er sich nicht erklären konnte. Wie einfach wäre es gewesen, sie nun zu küssen, in die Arme zu schließen und das Gesicht an ihre zarte Wange zu legen. Wie ein überraschtes Mädchen hatte sie die Augen erschrocken aufgerissen. Und doch ahnte er, wenn er die Hand nach ihr ausstrecken würde, würde sie nicht fliehen.
    Das Pferd wieherte und stampfte, und wie eine weiße Wolke stieg sein Atem in die kalte Luft. Bei dem Geräusch zuckte Mary zusammen, und diese heftige Bewegung brachte Gates zurück auf die Erde. Mary war nicht die Art von Frau, die man aus einer Laune heraus küssen durfte. Ihr völliger Mangel an Erfahrung konnte bewirken, daß sie eine solche spontane Tat als etwas Ernsteres auffaßte. Und dann gäbe es Komplikationen, die er vermeiden wollte. Das hier war sein Urlaub, die Zeit für Vergnügungen. Danach wollte er nach Boston zurückkehren in ein Leben, an dem sie keinen Anteil haben konnte.
    War Mary enttäuscht, als er ihre Hand losließ? Doch welchen Unterschied machte das schon? Gates drehte sich um und wies zum Haus hin.
    „Wollen wir?" fragte er. „Ich werde Judds Fußstapfen folgen, und Sie treten in meine."
    Langsam ging Mary hinter ihm her. Sie war wie benommen von zuwenig Schlaf und dem eben Geschehenen. Einen Augenblick hatte sie gedacht, er würde sie küssen.
    Vielleicht hätte er das auch getan, wenn sich das Pferd nicht bewegt hätte. Sie wünschte, es hätte sich nicht gerührt.
    Ihr Herz klopfte immer noch unregelmäßig, und die Knie zitterten ihr ein wenig, als sie durch den Garten dem Pfad folgte, den Gates frei machte.
    Jack Gates klopfte sich den Schnee von den Stiefeln und schaute sich von der Veranda aus um, während Mary in ihrer Manteltasche nach dem Schlüssel suchte und die Tür aufschloß. Ein Ahornbaum breitete seine schneebeladenen Äste über den Vorgarten aus. Während Gates ihn betrachtete, setzten sich zwei Amseln auf einen Zweig und traten etwas von dem Schnee los, der daraufhin zu Boden rieselte.
    Mit zur Seite geneigten Köpfchen schauten die Amseln ihm nach. Dann erhoben sie sich gleichzeitig wieder und flogen über das Dach davon.
    Eine gewöhnliche Begebenheit, wie er sie schon oft zuvor beobachtet hatte.
    Vielleicht war es gerade ihre Alltäglichkeit, die ihn so tief berührte.

    Als Junge war er an Tagen wie diesem durch Wälder und Felder gestreift, um den Duft der Gräser und Pflanzen zu genießen und das Knirschen des schneebedeckten Waldbodens unter seinen schweren Stiefeln zu spüren. Indem er nach Boston gegangen war, hatte er diesem Teil seines Lebens den Rücken zugekehrt. Nun, in dieser Umgebung, stürmten die Erinnerungen mit einer Macht und Klarheit auf ihn ein, die fast beängstigend war.
    Längst hatte Mary die Tür aufgeschlossen. Nun stand sie neben der geöffneten Tür und wartete geduldig.
    Jack Gates schüttelte den Kopf, als erwachte er aus einem Traum. „Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was mich so gefangen hat."
    „Das ist das Haus", meinte Mary und lächelte. „Es wirkt seinen Zauber auf Sie aus.
    Ich habe ihn oft gespürt. Mutter würde sagen, das sind die Geister, die sich zu verständigen suchen. Passen Sie auf, wenn Sie hineingehen. Gleich da ist eine lose Diele."
    Er trat ein und fand sich in einem Haus wieder, dessen Erdgeschoß dem Haus seiner eigenen Familie glich. Die vier Zimmer im Parterre wurden von einem in der Mitte liegenden Flur unterteilt, und die Treppe zu den oberen Stockwerken führte gegenüber der Eingangstür hinauf. Die Wände des Flurs waren in einer undefinierbaren Farbe gestrichen, und obwohl er leer war, erkannte man an helleren Stellen in der Farbe, wo bis vor kurzem Möbel gestanden haben mußten.
    So etwas wie eine kleine Siegelkommode, vermutete Jack anhand der Flecken an der Wand, und vielleicht eine Standuhr. Als er Mary einen Blick zuwarf, stellte er fest, daß auch sie die leeren Stellen musterte. Eine Zeitlang ließ sie den Blick an dem Ort verweilen, wo anscheinend die Uhr gestanden hatte. Dann wandte sie sich ab und öffnete die erste Tür rechts. Gates folgte Mary durch das Eßzimmer in eine Küche, die der aus seiner Kindheit so sehr ähnelte, daß er davon eigenartig berührt wurde.
    Dieselben großzügigen Linien fand er hier, denselben massigen Steinkamin, der groß genug war, daß ein Mensch am höchsten Punkt aufrecht darin stehen konnte.
    Schwere Eisenhaken waren in die Decke getrieben und in die eine Seite ein Ofen eingebaut,

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