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Historical Weihnachtsband 1990

Titel: Historical Weihnachtsband 1990 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Graham
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geschüttelt, um den Eispanzer zu lösen, der ihr Herz umgab. Er besaß die Macht, und manchmal hatte er Gebrauch davon gemacht — aus Verzweiflung, aus Hoffnungslosigkeit und einmal in wilder Entschlossenheit, um ihr das Leben zu retten. Doch diesmal wollte er sie nicht berühren. Er liebte sie, und er wollte sie nicht zwingen zu bleiben.
    „Guten Abend, Isabelle", sagte er zu ihr. Er beabsichtigte keineswegs, ihr zu Hilfe zu kommen. Er würde sie zwar gehen lassen, weil ihm nichts anderes übrigblieb, aber er würde ihr nicht auch noch dabei helfen, ihn der Öde eines weiteren Weihnachtsfestes ohne sie auszuliefern.
    „Captain", erwiderte sie seinen Gruß.
    Er schwieg. Isabelle hob das Kinn. Sie wußte, daß er sich völlig darüber im klaren war, warum sie gekommen war, und daß er es ihr nicht leichtmachen würde.
    Mit bescheidener Würde sprach sie weiter: „Ich hätte gern eine Eskorte nach Holloway."
    „Das Wetter ist rauh", entgegnete der Captain unverbindlich und versuchte dabei, kühl und beherrscht zu wirken.
    „Das spielt keine Rolle, Sir. Ich reite auf jeden Fall, ob mit oder ohne Ihre Eskorte."
    „Sie wissen doch, daß Sie ohne meine Erlaubnis keine zwei Schritte weit kommen, Miss Hinton."
    Ihre Lippen kräuselten sich, und unter ihren langen Wimpern hervor sah sie ihn an.
    „Sie würden mich an der Abreise hindern, Captain?"
    Warum tue ich es nicht? fragte er sich. Er konnte ihr den Rücken zuwenden, konnte ihren Wunsch glatt abschlagen. Wenn sie versuchte, ihn zu verlassen und einfach loszureiten, in die schneebedeckte Wildnis hinein, brauchte er ihr nur nachzureiten, sie zu ergreifen und zurückzuschleppen. Nichts leichter als das.
    Aber er war in sie verliebt und hätte es deshalb nie übers Herz gebracht, sie mit Gewalt zurückzuhalten. Ja, wenn sie unbedingt gehen wollte, würde er ihr, falls nötig, auch noch höchstpersönlich das Pferd satteln.
    „Nein, Miss Hinton", sagte er leise. „Ich werde Sie nicht zurückhalten, weil es Ihr Herzenswunsch ist."

    Er stand auf und trat an den Schreibtisch — ihres Bruders Schreibtisch. Jetzt war es ein Yankee-Schreibtisch, auf dem sich sein Papierkram türmte: Ordner, Briefe, Weihnachtsgrüße, die es bis zu ihm geschafft hatten. Die Briefe, die er an die Eltern und Geliebten und Brüder und Angebeteten der Männer diktiert hatte, die bei ihrem letzten Scharmützel gefallen waren — Briefe, die er noch nicht abgeschickt hatte. Er suchte nach den Geleitbrief-Formularen, zog den Stuhl hervor, setzte sich und begann, den Vordruck auszufüllen:
    Jegliche Patrouille der Uniform habe Miss Isabelle Hinton freies Geleit nach Holloway Manor zu gewähren, das nur fünf Meilen südwestlich ihres eigenen Standorts in Nordvirginia lag. Sie werde begleitet von Sergeant Daniel Daily und Corporal Eugene Ripley, und sie dürfe unter keinen Umständen abgefangen, ausgefragt oder auf sonstige Weise aufgehalten werden.
    Nachdem er unterschrieben hatte, blickte er auf. Er vermeinte hinter dem Leuchten ihrer graugrünen Augen Tränen blinken zu sehen. Tu das nicht! wollte er ihr befehlen. Siehst du denn nicht, daß du gerade dabei bist, unsere Liebe zu verleugnen?
    Sie hatte jedoch nie gesagt, daß sie ihn liebte. Niemals, weder als die Flammen der Leidenschaft sie verzehrten, noch in den wenigen gestohlenen Augenblicken der Zärtlichkeit, die sie genossen hatten. Und auch er hatte — Gott helfe ihm! — nie derartige Worte geflüstert, denn das konnte er nicht. Zwischen ihnen tobte der Krieg, und Feinde liebten einander nicht.
    Aylwin stand auf und ging mit dem Paß auf Isabelle zu. Ihre behandschuhten Hände hielt sie sittsam vor sich gefaltet, doch sie begannen zu zittern, als er näher kam.
    „Isabelle . . ." Zögernd hielt er ihr das Dokument entgegen.
    Sie streckte eine Hand danach aus, doch ihre Finger bekamen es nicht zu fassen, so daß es zu Boden schwebte. Travis Aylwin wollte sich danach bücken, unterließ es dann jedoch. Seine dunklen Augen waren auf Isabelle gerichtet, und der Raum schien sich mit einer spürbaren Spannung aufzuladen. Plötzlich merkte er, daß es die Frau war, wonach er griff, nicht das Papier. Er zog sie in die Arme und wußte im gleichen Augenblick, daß sie nicht aus Eis war, daß Wärme in ihr flackerte und brannte. Ein leiser Schrei entwich ihren Lippen, und ihr Kopf fiel zurück. Ihr Blick begegnete dem seinen mit einem herausfordernden Blitzen, doch gleichzeitig verrieten ihre Augen Dinge, die sie niemals aussprechen, ja, die

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