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Historical Weihnachtsband 1990

Titel: Historical Weihnachtsband 1990 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Graham
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durchgefrorenen Männer, die in diesem Jahr bereits Sharpsburg und andere Schlachten geschlagen und überlebt hatten, folgten ihm schweigend. Alle hatten geglaubt, der Krieg würde bis Mai zu Ende sein, würde nur ein paar Wochen dauern. Die Yankees hatten auf einen leichten Sieg gehofft, während die Rebellen gedacht hatten, sie könnten den Yankees das Fell über die Ohren ziehen, was sie bei Gelegenheit auch getan hatten
    — nur hatten sie nicht mit Mr. Lincolns Beharrlichkeit gerechnet. Der Präsident hatte nicht die Absicht, die Nation auseinanderfallen zu lassen, er wollte den Streit bis zum bitteren Ende ausfechten. Also hatte der Norden gelernt, sich die Hoffnung auf einen leichten Sieg abzuschminken, und der Süden hatte gelernt, daß der Krieg ewig weitergehen konnte. Und so war man nun, wenige Tage vor Weihnachten, dabei, sich in Virginia häuslich einzurichten, anstatt das Fest zu Hause bei den Lieben zu verbringen.
    Natürlich sollte dieses Weihnachtsfest für manche noch düsterer aussehen, denn der Krieg hatte bereits seine Opfer gefordert. Väter, Geliebte, Ehemänner und Söhne — viele waren bereits heimgekehrt: in Kisten aus Kiefernholz, in Leichentücher gehüllt, und zu Weihnachten würden sie ihre letzte Ruhe in den Familiengrabstätten finden. Für sie hatte sich der Wunsch, die Feiertage zu Hause zu verbringen, auf traurige Weise erfüllt.
    Travis Aylwin merkte, daß er verdrießlich wurde — etwas, das er sich nicht erlauben durfte. Schließlich war er für diesen Trupp von zwanzig jungen Männern, sowie für ein weiteres Hundert, verantwortlich, das er im Städtchen zurückgelassen hatte.
    Dabei durfte die Moral nicht auf der Strecke bleiben, zumal er keine Lust hatte, irgendeinen seiner Männer wegen Fahnenflucht erschießen zu müssen.
    „Scheint kein übles Fleckchen zu sein", rief er aus und erhob sich im Sattel, um einen Blick auf seine Truppe zu werfen. Einige Männer nickten, andere ließen ein schwaches Lächeln erkennen. Dann wandte er sich wieder dem Haus zu.
    In diesem Moment sah er sie.
    Sie war auf die Veranda getreten. Wahrscheinlich hatte sie das Klirren des Geschirrs gehört und daraus geschlossen, daß Soldaten kamen. Sie mußte gehofft haben daß es Konföderierte waren, und dennoch hatte es den Anschein, daß sie insgeheim mit Yankees gerechnet hatte, denn sie trug ein Schrotgewehr unter dem Arm, Travis zweifelte nicht, daß es auch geladen war.
    Doch in diesem Augenblick hätte ihm nichts gleichgültiger sein können.
    Sie war mit einem prächtigen, kostspieligen Kleid aus blauem Samt angetan, mit Puffärmeln und einem gewagten Mieder, das ihre Schultern frei ließ und eine provokative Ahnung von den elfenbeinfarbenen Brüsten vermittelte, die sich gegen den Stoff drängten. Sie trug weder Mantel noch Cape, um sich vor der Kälte zu schützen, sondern stand auf der obersten Stufe zur Veranda, die schwere Waffe im Anschlag und fest auf ihn
    gerichtet, wobei ein Schwall goldblonder Locken über die Kimme fiel. Als sie das Haar zurückwarf, merkte Aylwin, daß sie jung war, und obwohl er die Farbe ihrer Augen nicht erkennen konnte, wußte er doch sogleich, daß sie faszinierend sein mußten. Noch nie war ihm eine so schöne, eine dermaßen attraktive und zugleich zarte und feine Frau unter die Augen gekommen, und sekundenlang vergaß er völlig seine Soldatenpflicht und -ehre und sogar die Tatsache, daß er sich im Krieg befand.
    „Sie sieht aus, als wollte sie von dem Ding da Gebrauch machen", raunte Sergeant Sikes und warf Aylwin einen schnellen Blick zu. „Was meinen Sie, Captain?"
    Der zuckte mit den Schultern und grinste. Es konnte ja wohl nicht sein, daß sie wirklich schoß. Eine einzelne Frau gegen einen Trupp von zwanzig Mann. Er hob die rechte Hand und drehte sich zu seinen Leuten um. „Bleibt hier, Jungs! Ich werde reden. Wäre doch gelacht, wenn wir das nicht in aller Höflichkeit erledigen könnten."
    Er trieb sein Pferd an und ließ die anderen am Tor der im Schneedunst liegenden Koppel zurück. Als sie daraufhin das Gewehr direkt auf ihn richtete, zügelte er das Pferd und machte eine beschwichtigende Geste.
    „Bleiben Sie genau da, wo Sie sind, Yankee!" befahl sie. Die Stimme paßte zu der Frau. Sie war wie aus Samt und Seide — kräftig, aber mit schillernden Untertönen, die sie nur um so weiblicher erscheinen ließen.
    „Miss Hinton, ich bin Captain Travis Aylwin von den . . ."
    „Sie sind ein Yankee, und ich will, daß Sie von meinem Grund und

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