Historical Weihnachtsband 1991
die als Heiratskandidaten in Betracht gekommen wären, sosehr sich Angelica auch den Kopf zerbrach.
Dennoch verran die Zeit wie im Fluge. Miss Lunt und Quinton Keyes wetteiferten vom ersten Kennenlernen an um Angelicas Aufmerksamkeit und überboten einander auch in ihren eingebildeten Krankheiten. Peggy kam kaum mehr zum Verschnaufen, so oft mußte sie mit Brühen und heißen Tüchern treppauf und treppab hasten. Über all diesem wirbelnden Treiben im Haus hatte Angelica völlig die Einladung zum Schlittschuhlaufen vergessen, bis es an der Tür pochte. Auf der Schwelle stand Schwager Geoffrey mit von der Kälte geröteten Wangen. Die Atemluft bildete ein Dampfwölkchen. Auf der Straße hielt die Addamssche Kutsche.
Phoebe ließ das beschlagene Fenster herunter und winkte ihrer Schwester zu.
„Fertig zur Fahrt auf die Eisbahn?" erkundigte sich Geoffrey munter.
„Ist es denn schon so spät?" fragte Angelica beinahe erschrocken und strich mit einer Hand glättend über den Scheitel, während sie Geoffrey hereinbat. „Dann hole ich schnell meine Schlittschuhe und einen Umhang." Sie freute sich, das Haus verlassen und den Auseinandersetzungen auf der ersten Etage entkommen zu können.
„Zieh dich warm an, es ist eisig draußen", mahnte Geoffrey. Er wartete in der Diele, und Angelica lief hinauf Droben mußte sie lächeln. Quinton Keyes' hartnäckiges Niesen wechselte mit Miss Lunts Grabesseufzern. Ungesehen kam Angelica, fertig angezogen, wieder die Treppe herunter, gab Peggy noch letzte Hinweise und hüllte sich eng in das Wollcape. Sie freute sich wie ein Kind darauf, sich trotz der beißenden Kälte auf dem Eis schnell warmzulaufen.
Galant nahm Geoffrey ihr die Schlittschuhe ab und bot ihr den Arm. Der Schnee knirschte unter ihren Schuhen, als sie beide zur wartenden Kutsche eilten. Einmal glitt Angelica aus und wäre gefallen, hätte Geoffrey sie nicht am Arm geführt.
Die frohe Laune verflog augenblicklich, als Angelica beim Einsteigen Matthew Thornton sah, der die kleine Stella auf dem Schoß und einen der Zwillinge neben sich sitzen hatte. Trotz des anklagenden Blickes, den sie ihrer Schwester zuwarf, gab es keine Möglichkeit, sich höflich aus der Affare zu ziehen, denn Geoffrey schob seine Schwägerin in den Wagen und machte es ihr unmöglich, zum Haus zurückzugehen. Widerwillig nahm sie den Platz gegenüber Phoebe neben Tim ein.
„Stell die Füße auf den heißen Ziegelstein", riet Phoebe. „Dann bekommst du keine kalten Füße."
„Die habe ich bereits", sagte Angelica düster. Phoebe überhörte die deutliche Spitze.
„Tante Angelica", ließ sich Stella vernehmen. „Mr. Thorn sagt, er wird mir eislaufen beibringen."
„Mr. Thornton", verbesserte Phoebe ihre Jüngste.
„Warum nennst du mich nicht einfach Onkel Matt?" schlug Thornton lächelnd vor.
Angelica beugte sich zu der Kleinen. „Mr. Thorn klingt auch gut. Und ich war der Meinung, ich sollte es dich lehren."
„Ihr könnt es ja miteinander probieren", meinte Stella, und die blonden Locken wippten, als sie von einem zum anderen schaute.
Angelica fühlte sich in die Enge getrieben. Stella dagegen strahlte. Hatte sich denn die ganze Familie verschworen, sie mit Matthew Thornton zu verkuppeln?
„Ich und Tom können schon Achter fahren", tat sich Tim hervor.
„Tom und ich", verbesserte Phoebe beinahe mechanisch.
Tim grinste verständnissinnig zu seiner Tante hinauf. „Wir können es wirklich", versicherte er.
Angelica nickte ihm zu. „Ich kann es kaum erwarten, daß ihr mir eure Kunst vorführt. Ich wußte gar nicht, daß ihr schon soweit seid."
„Onkel Matt hat es uns beigebracht", erklärte Tom.
Thornton lachte. „Mir will scheinen, daß ich um den Onkel Matt nicht herumkomme.
Ich hätte mir freilich nie träumen lassen, daß jemand mich so nennen würde."
Angelica überlegte, ob hinter diesen Worten ein leiser Tadel anklang.
„Stimmt", bestätigte Geoffrey. „Du hast ja keine Geschwister, also keine Aussicht auf Nichten oder Neffen."
„Eigentlich traurig", ließ sich Phoebe vernehmen. „Ich könnte mir nicht vorstellen, keine Schwester zu haben."
„Ich mir auch nicht", sagte Angelica düster. „Hast du mein Briefchen eigentlich nicht gelesen, das ich dir heute morgen hinübergeschickt habe?"
„Ich habe es versucht. Aber entweder ist deine Handschrift inzwischen völlig unleserlich geworden, oder ich brauche eine Brille. Ich konnte nicht klug aus dem Ganzen werden", behauptete Phoebe seelenruhig.
Ihr Mann
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