Historical Weihnachtsband 1991
ist Mr. Hart einer meiner allerersten Pensionsgäste gewesen. Ich könnte mir nicht vorstellen, das Zimmer an einen anderen Menschen abzugeben."
„Na, Mrs. Hart", strahlte Mr. Hart. „Habe ich dir nicht gleich gesagt, daß Mrs.
Hamilton ein Schatz ist?"
„In diesem Haus hat es schon viel zu lange keine Neuvermählten mehr gegeben", stellte Angelica fest. „Sie können sofort einziehen, wenn es Ihnen paßt, Mrs. Hart."
„Ja, dann, meine liebe Mrs. Hamilton, dann möchte ich jetzt meiner Eheliebsten unser Heim zeigen", sagte Mr. Hart und lächelte seiner Blanche verschmitzt zu.
Die errötete tief und hob den Blick nicht mehr vom Boden. „Nicht doch, mein Lieber, du machst mich ganz verlegen."
Angelica ließ sich nicht anmerken, wie sehr diese Szene zwischen dem
„ungeduldigen" Bräutigam und der verschämten Braut sie erheiterte, als er sie nun die Treppe hinaufführte.
„Was gibt es denn, Mrs. Hamilton?" Peggy steckte den Kopf aus der Küche. „Was ist denn auf einmal hier los?" Dabei sah sie gerade noch Mr. Harts Hosenbeine neben einem Damenkleidsaum oben verschwinden. Der Mund blieb ihr offenstehen. „Er wird sie doch nicht etwa mit aufs Zimmer nehmen?"
„Er hat sie entführt", scherzte Angelica und lachte. „Sie haben heute morgen geheiratet."
„Sachte, sachte, Ma'am, das kann doch nicht wahr sein. Hätte ich nie im Leben erwartet." Die vollkommen überraschende Neuigkeit ließ Peggy ihre sonstige Scheu ganz vergessen. Die Verblüffung stand ihr ins Gesicht geschrieben.
„Um ehrlich zu sein, Peggy, ich auch nicht, ganz bestimmt nicht. Nun müssen wir natürlich ein Hochzeitsdinner geben. Ich dachte an Rauchschinken mit der Soße, die Mr. Hart so gern ißt, und auf alle Fälle Rosinenkuchen. Haben wir überhaupt noch Rosinen?"
„Das schon, jede Menge. Aber wollen Sie vielleicht den Schinken opfern, den wir für Weihnachten aufheben wollten?"
„Genau den. Für Weihnachten finde ich schon noch etwas anderes. Liebe ist etwas so Kostbares, Peggy, daß man es unbedingt feiern muß. Vergiß das nie!"
„Wie Sie meinen, Ma'am."
„Liebe ist wahrscheinlich das Allerwichtigste auf dieser Welt."
Auf einmal war Angelica den Tränen nah. Hastig trat sie in die Küche und machte sich an dem Schrank zu schaffen. „Ich will doch nachsehen, ob genug Mehl und Butter im Haus sind."
★
Am nächsten Tag sandte Matthew Thornton Angelica seine Karte mit der Einladung zu dem abendlichen Konzert im Stonebrough
Park. Als sie gegen seine Befürchtung, sie würde ablehnen, annahm, war er nicht nur überrascht, sondern sehr froh. Phoebe und Geoffrey waren davon so angetan, daß sie überschwenglich versicherten, sie brauchten die Kutsche nicht, und darauf bestanden, daß er sie nehme, als wäre es seine eigene.
Am späteren Nachmittag machte er sehr sorgfältig Toilette. Zur festgesetzten Zeit brachte er das Gespann vor dem Eingang des Hamiltonschen Hauses zum Stehen.
Ein mageres rothaariges Mädchen öffnete und ließ Matthew in der Diele warten, während es lief, die Herrin zu holen. Er drehte den Hut zwischen den Händen und bemühte sich, seine Nervosität nicht zu zeigen. Dabei fühlte er sich wie ein aufgeregter Gymnasiast beim ersten Rendezvous. Er war immer noch nicht ganz überzeugt, daß Angelica wirklich mit ihm ausfahren würde, bevor sie die Treppe herunterkam, den Mantel über dem Arm.
Angelica trug das dunkelgrüne Kleid, in dem er sie bei den Addams wiedergesehen hatte, und sah hinreißend aus. Das hochaufgesteckte reiche Haar schimmerte, dunklere Lichter spielten in den kastanienbraunen Wellen. Die weichere Frisur schmeichelte dem blassen Gesicht. Trotz der betont selbstsicheren Haltung verriet der Ausdruck der Augen, als sie ihn musterte, daß sie ebenso nervös war wie er.
„Sie sind schön", hörte Thornton sich zu seiner Überraschung sagen.
Angelica zögerte auf der letzten Stufe und kam dann langsam herunter. „Danke."
Vor der Eingangstür hielt sie noch einmal inne.
Matthew hatte ganz vergessen, wie klein sie war. Sie reichte ihm kaum bis ans Kinn.
Ihre schmale Taille hätte er leicht mit den Händen umspannen können. Sosehr er sich bemüht hatte zu vergessen, die Erinnerung an ihr Gesicht, die braunen Augen, an den Klang der Stimme hatte sich fünf lange Jahre nicht auslöschen lassen. Er griff nach dem Mantel, legte ihn ihr um die Schultern und ließ die Hände leicht darauf ruhen. Sie hielt still und rührte sich nicht. Er fragte sich, ob es ein Zeichen von Abwehr war
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