Historical Weihnachtsband 1991
oder etwa davon zeugte, daß Angelica ebenso wie er sich dem Zauber dieser Berührung nicht ganz entziehen konnte.
Das Hausmädchen kam herunter, und Angelica drehte sich schnell um.
„Ich weiß nicht, ob es spät werden wird, Peggy, und habe meine Schlüssel bei mir.
Du brauchst nicht aufzubleiben."
Peggy nickte und sah Matthew an, als hätte sie noch nie einen Mann gesehen.
Als Matthew Angelica zum Wagen geleitete, duldete sie es, daß er ihre Hand durch seinen Arm zog, um ihr besseren Halt auf der glatten Straße zu geben. Er war selbst überrascht, wieviel Zärtlichkeit ihn für diese Frau erfüllte. Ihre Hand war so klein, selbst in dem derben Handschuh. Er spürte eine verdickte Stelle, wo der Stoff ausgebessert war, und fragte sich einmal mehr, ob Angelica tatsächlich finanziell so abgesichert war, wie ihre Eltern augenscheinlich annahmen.
Er half ihr beim Einsteigen und breitete fürsorglich die Wagendecke über ihre Knie, bevor er dem Kutscher das Zeichen gab, die Pferde antraben zu lassen. Die legten sich ins Geschirr, und der Wagen rollte mit einem jähen Ruck an.
„Sie haben ein hübsches Haus", sagte Matthew, um das Schweigen zu brechen. „Mir ist diese Straße bisher niemals aufgefallen. Nun allerdings begreife ich, warum Sie so gern hier wohnen."
„Ich bin auch recht zufrieden. Hier habe ich alle Geschäfte in der Nähe und muß weder Pferde noch Wagen halten. Das ist von Vorteil."
Er nickte und wies auf das Nebenhaus. „Sieht sehr gut aus. Wer lebt denn dort?"
„Gegenwärtig niemand. Es gehörte zwei alternden Schwestern. Nach dem Tod der einen zog die andere zu Verwandten. Ich hoffe, daß es nun nicht allzu lange leersteht. Nur die Bewohner machen ein Haus lebendig. Ein Haus braucht Menschen."
Matthew saß Angelica so nahe, daß er die goldbraunen Lichter in ihren Augen sah.
„Auch Menschen brauchen Menschen."
Sie lachte leise. Ihr Lachen tat Matthew wohl.
„Ich habe immer viele Menschen um mich. Seit heute lebt ein jungvermähltes Paar bei mir, dazu zwei ältliche Leutchen, die
einander an eingebildeten Krankheiten zu überbieten trachten, dann ein Schwesternpaar auf der Suche nach passenden Ehemännern und Peggy, mein Faktotum, die vor dem eigenen Schatten erschrickt."
„Ich dachte eher an mich", wandte Matthew ein. „Sie wissen, daß ich mein Erbe angetreten habe."
„Ich habe durch Phoebe davon gehört. Der Tod Ihres Vaters muß ein harter Schlag für Sie gewesen sein."
„Das war er auch. Und es hat eine ganze Weile gedauert, bis der Landsitz in Ordnung gebracht war. Jetzt habe ich einen ausgezeichneten Verwalter, der sich um alles kümmert."
„Wollen Sie deshalb ein Haus in London kaufen?"
„Zum Teil ist es so. Erst hatte ich in Erwägung gezogen, nach Amerika zu gehen.
Doch wie es aussieht, könnte es ernsthafte Schwierigkeiten mit den Staaten geben.
In die möchte ich nicht verwickelt werden. Und ich habe London immer vermißt.
Schließlich habe ich einige sehr glückliche Jahre hier verbracht."
Angelica schwieg. Er beschloß, ein wenig auf den Busch zu klopfen. „Und Sie haben wohl viele Verehrer, nun, da die Trauerzeit vorüber ist."
„Um ganz ehrlich zu sein, nein. Ich habe auch keine Bewerber ermutigt. Ich bin sehr damit beschäftigt, mein Haus zu führen."
„Ein Haus ist ein totes Gemäuer aus Ziegeln und Mörtel, nicht mehr."
„Sagen Sie das nicht. Es gibt Pensionsgäste, die mich brauchen. Wer hielte sonst Quinton Keyes und Miss Lunt auseinander, bevor sie aneinandergeraten. Und die arme Peggy müßte ins Armenhaus zurück, wenn ich mich nicht um sie kümmerte.
Sie ist nicht geschickt genug, eine andere Arbeit zu machen. Jeder Hausbesitzer würde außerdem die beiden Schwestern Neville auf die Straße setzen, wenn die Eltern die Miete nicht bezahlten, und was sollte dann aus den Mädchen werden?"
„Sie scheinen an all diesen Schicksalen regen Anteil zu nehmen."
Angelica schwieg, als hätte sie schon zuviel gesagt. Nach einer Weile bemerkte sie abweisend: „Ich habe keineswegs die Absicht,
noch einmal eine Ehe einzugehen. Wozu also sollte ich einen Mann ermutigen, um mich zu werben?"
„Ich verstehe." Matthew gestand sich ein, daß es albern wäre, diese Worte als schmerzhaft zu empfinden. Wenn Angelica nicht noch einmal heiraten wollte, konnte dies nur bedeuten, daß sie Philip Hamilton zu sehr geliebt hatte, um sich mit einem Nachfolger zufriedenzugeben. Natürlich sollte Matthew sich glücklich schätzen, daß sie in ihrer Ehe eine
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