Historical Weihnachtsband 1992
begrüßte, die sich nie hätte träumen lassen, einen solchen Fisch an Land zu ziehen. Dabei erweckte er sogar den Eindruck, sich zu amüsieren.
Sie war sehr naiv gewesen, sich einzubilden, daß es ihr Problem lösen würde, wenn sie ablehnte, ihn zu sehen. Überall, wohin sie kam, war auch er eingeladen. Cornelia zögerte schon, den Salon ihrer Mutter zu betreten, aus Angst ihn dort vorzufinden.
Seufzend rieb Cornelia sich den Nacken. Sie rief „Herein", als es leise an der Tür klopfte.
Sophia trat ein und schloß die Tür hinter sich. „Sie sehen erschöpft aus, Miss", bemerkte sie. „Fühlen Sie sich nicht wohl?"
„Mir geht es gut", behauptete Cornelia. „Es kommt mir nur allmählich so vor, als ob die Feiertage hektischer wären als früher."
„Bleiben Sie doch heute abend zu Hause", schlug Sophia vor, während sie begann, die Knöpfe am Rückteil von Cornelias Tageskleid zu öffnen.
„Wir haben den Lancasters vor über einer Woche zugesagt, an ihrer Schlittenpartie teilzunehmen. Deshalb kann ich nicht einfach wegbleiben. Außerdem liebe ich Schlittenfahrten und möchte diese nicht versäumen", setzte Cornelia in festem Ton hinzu.
„Wie Sie meinen, Miss", erwiderte Sophia. „Wenn Sie mich fragen, glaube ich, daß Sie etwas bedrückt. Das wird nicht besser, bevor Sie sich nicht damit auseinandersetzen."
Cornelia seufzte. Sophia hatte recht, aber das mochte sie nicht zugeben. „Ich bin nur ein bißchen müde", versicherte Cornelia. „Die Schlittenfahrt wird mich aufheitern."
Besonders wenn ihre Gebete erhört wurden, und Mr. Lowell nicht daran teilnahm.
Eine kleine Erholungspause durfte sie sich doch wohl erhoffen.
Nicht, daß das viel nützen würde. In drei Tagen war Heiligabend. Die gedruckte Einladungskarte zu dem berühmten Lowellschen Weihnachtsball, vor einigen Tagen eingetroffen, nahm einen Ehrenplatz auf dem Tisch unten in der Halle ein. Ihre Mutter konnte nie daran vorbeigehen, ohne sie zu berühren, als wollte sie sich vergewissern, daß sie echt war.
Selbstverständlich war die Einladung sofort angenommen worden. Und genauso selbstverständlich mußte Cornelia mitkommen. Ihre Andeutung, der Veranstaltung vielleicht fernbleiben zu dürfen, war auf eine solche Reaktion des Entsetzens gestoßen, daß sie sofort klein beigegeben hatte.
Da sie nun einmal gezwungen war, den Ball zu besuchen, sollte es wenigstens möglich sein, an der Schlittenpartie teilzunehmen, ohne ständig Peter Lowell vor Augen zu haben. Das schlimme war, daß sie kaum an etwas anderes zu denken vermochte. Sie mußte verrückt sein, jedesmal aus der Fassung zu geraten, wenn sie sich an die Küsse unter der Tanne am Teich erinnerte. Am besten sie rief sich jenes Erlebnis nicht mehr ins Gedächtnis zurück, tat so, als ob nichts geschehen wäre.
„Das rote Samtkostüm?" fragte Sophia.
„Sehr gut", bestätigte Cornelia, ohne zu überlegen. Sie bemerkte kaum, daß Sophia ihr beim Anziehen des Kostüms half und ihr das Haar frisierte. Wenigstens vergaß Cornelia nicht, sich anschließend zu bedanken.
Sophia lächelte, ihre Augen blitzten vergnügt. Die Gerüchte um ihre junge Herrin waren ihr natürlich nicht verborgen geblieben. Nur Cornelia schien sich nicht bewußt zu sein, daß man über sie und Mr. Peter Lowell redete. Wenn dieser Abend vorbei war, würde wahrscheinlich noch mehr geredet werden.
„Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend, Miss", sagte Sophia und schaute Cornelia nach, die umhüllt von einer zarten Parfumwolke mit schwingenden Samtrock den Raum verließ.
Sie duftet nach Maiglöckchen, dachte Peter. Und der tiefrote Samt ihres Kostüms wirkt so weich, daß er gern mit der Hand darübergefahren wäre. Das schimmernde Haar fiel ihr in üppigen Locken auf die Schultern und lenkte die Aufmerksamkeit auf den schönen Busen, den das Jäckchen eng umschloß. Die Jacke, mit schwarzen Tressen verziert, betonte ihre schlanke Taille. Der lange Rock war glockförmig geschnitten und schwang ihr bei jedem Schritt graziös um die Füße.
„Ich habe Sie mit Mr. Lowell zusammengesetzt", erklärte Penelope Lancaster heiter.
„Er war so freundlich, den eigenen Schlitten und seine phantastischen Pferde mitzubringen." Schalkhaft lächelnd, fügte sie hinzu. „Ich bin sicher, daß Sie eine rasante Fahrt mögen und einen aufregenden Abend erleben."
„Das denke ich auch", erwiderte Cornelia, die Peter rasch einen Blick zuwarf. Wie gewöhnlich war er barhäuptig. Schneeflocken glitzerten auf seinem schwarzen
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