Historical Weihnachtsband 1992
zählen, daß sie etwas Unterhaltsames zu berichten wußte.
„Dieser schreckliche Peter Lowell!" Aus Mrs. DeWitts Mund klang das wie ein Kompliment. „Manchmal ist er richtig aufsässig. Diesmal benutzte er seine Kolumne, um billige Liebesromane zu verdammen. Er meint, man dürfe keine Bäume fallen, um das Papier herzustellen, auf dem sie gedruckt werden. Es stehe nur dummes Zeug darin. Man müsse die Leute ermutigen, anspruchsvolle Literatur zu lesen. Nun, wie dem auch sei, ich rühre solchen Schund ohnehin niemals an", fügte sie hinzu.
„Tatsächlich?" Mrs. Neville vermochte ein Lächeln nicht zu unterdrücken. „Ich dachte, du würdest niemals einen Roman dieser Schriftstellerin . . . Wie heißt sie doch noch? Ach ja, Luciana Montrachet. . . versäumen."
Mrs. DeWitt rollte entsetzt die Augen. „Melanie, du überraschst mich. Dir sollte doch bekannt sein, daß ich einen etwas besseren Geschmack habe. Ich liebe englische Schriftsteller, wie zum Beispiel Chaucer. Aber was soll's. Der springende Punkt ist doch der, daß Mr. Lowell über sehr viel Witz verfügt. Er kann ausgesprochen humorvoll sein, doch diesmal ist er ziemlich scharf geworden, besonders was die arme Miss Montrachet angeht. Was er über sie schreibt, ist schrecklich grausam. Mir würde es nicht gefallen, wenn er mich so aufs Korn nähme."
Dies war so unwahrscheinlich, daß sich jeder Kommentar erübrigte. Die Damen fingen an, über andere Themen zu reden. Cornelia, die innerlich vor Zorn kochte, fiel es schwer, dem Gespräch zu folgen. Sie entschuldigte sich bald und verließ den Raum.
Das Journal lag zusammen mit der Morgenpost auf einem Tisch in der Halle.
Cornelia warf nur einen flüchtigen Blick auf die Briefe. Früher einmal hatte der Anblick der eingehenden Rechnungen sie erschreckt, aber diese Zeit war vorbei.
Dank Luciana brauchte sie sich davor nie mehr zu fürchten. So etwas würde Peter Lowell, der mit einem Silberlöffel im Mund geboren war und niemals einen unerfüllbaren Wunsch gehabt hatte, nicht verstehen.
Cornelia nahm das Journal und ging damit ins Eßzimmer, von dem man den rückwärtigen Garten überblickte. Vom Frühstück her hing noch der Geruch nach warmem Toast in
der Luft. Ohne darauf zu achten, setzte sich Cornelia an den Tisch und blätterte die Zeitung durch.
Normalerweise las sie das Journal sehr gern. In einer Stadt mit einem Dutzend Tageszeitungen gehörte das Blatt zu den besseren und seriöseren. Aber nicht heute.
Heute hatte es der Herausgeber für nötig befunden, über die zu schreiben, denen er vorwarf „unsere Kultur zu entwürdigen und dem unglücklichen, menschlichen Hang zum Seichten Vorschub zu leisten". Seiner Meinung nach waren das „Leute, die unseren nationalen Reichtum nicht zu schätzen wissen und wegen deren Geschreibsel städtische Bäume gefällt werden müssen".
Cornelia faltete die Zeitung wieder zusammen. Sie war rot vor Zorn, ihre Augen blitzten gefährlich. Von allem überheblichen und unsinnigen Zeug, das sie je gelesen hatte, war dies das schlimmste.
Der Mann hatte wirklich Nerven. Wofür hielt er sich eigentlich, daß er ihre ehrliche Arbeit und die anderer Schriftsteller kritisierte? Sie bot ihren Lesern harmlose Unterhaltung und ließ sie eine Zeitlang aus ihrem alltäglichen Leben in eine aufregendere Welt fliehen. Welchen Dienst erwies Peter Powell den Menschen? Er beutete seine Angestellten aus, die dafür sorgten, daß die Zeitung jeden Tag erscheinen konnte, und die gezwungen waren, die dummen und unverschämten Ergüsse eines Mannes zu ertragen, der in seinem ganzen Leben noch nie wirklich hart hatte arbeiten müssen.
Kurz gesagt, Cornelia Neville schätzte Peter Lowell nicht besonders.
Sie überlegte, ob sie auf diesen Angriff reagieren sollte. Es war leicht, einen Brief zu verfassen, der einer Kampfansage gegen den Herausgeber gleichkam. Doch einen solchen Brief mußte sie unterschreiben, und das wollte sie nicht. Zu ihrem Leidwesen mußte sie einsehen, daß sie sich nicht öffentlich äußern durfte. Damit würde sie ihre Mutter in Verlegenheit bringen, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich ziehen und, was noch schlimmer war, riskieren, daß Luciana Montrachet entlarvt wurde. Luciana Montrachet, die Königin des Kitschromans, wie der gräßliche Mr. Lowell sie zu nennen beliebte.
Die Unfairness sowie die Tatsache, daß sie nicht in der Lage war, sich zu wehren, machten sie wütend. Cornelia legte die Zeitung zur Seite und verließ das Eßzimmer.
Sie hatte
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