Historical Weihnachtsband 1992
würde so weitergehen wie bisher, solange Cornelia weiterschrieb.
Würde sie es aber auch tun, wenn sich die finanziellen Verhältnisse der Familie Neville gebessert hätten? Eine beunruhigende Frage. Da sie sich über Peter Lowells Kritik so sehr geärgert hatte, bestand durchaus die Möglichkeit, daß sie sich entschied, das Ganze aufzugeben.
„Meine Liebe, lassen Sie sich von Lowell nicht einschüchtern", bat Jonathan. „Ich denke, man könnte Lowell dazu bringen, seine Meinung zu ändern."
„Bitte versuchen Sie das nicht." Cornelia stand auf, glättete ihren Rock und lächelte.
„Ich finde mich mit dem Lauf der Welt ab, auch wenn Mr. Lowell denkt, daß ich in dieser Beziehung völlig unwissend bin."
Jonathan gefiel der Gedanke nicht, daß sich eine junge, schöne und begabte Frau wie Cornelia mit etwas abfinden wollte. Obwohl er dreißig Jahre älter war als sie und nicht wenige Enttäuschungen erlebt hatte, glaubte er immer noch, daß das Leben viele herrliche Möglichkeiten bereithielt. Cornelia schien in Gefahr, das zu vergessen. Aber nicht, wenn ich etwas zu sagen habe, dachte er. Das bin ich meiner Lieblingsautorin schuldig.
„Sie kommen doch am Freitag, nicht wahr?" fragte er, während er sie zur Tür begleitete.
„Aber natürlich", erwiderte Cornelia, verwundert, daß er daran zweifelte. Ihre Mutter hatte die Einladung im Namen der Familie angenommen.
„Sehr schön." Jonathan lächelte. „Also bis dann, meine Liebe. Und versuchen Sie, nicht zu schlecht über Lowell zu denken. Er hat auch seine guten Seiten."
Cornelia schwieg. Sie war davon überzeugt, daß nichts sie dazu bewegen konnte, ihre Meinung über den unverschämten Mr. Lowell zu ändern.
Am Freitag drehten sich Cornelias Gedanken endlich nicht mehr ständig um Peter Lowell. In knapp zwei Wochen war Weihnachten. Schon jetzt drängten sich in den Straßen Menschen, die Weihnachtseinkäufe machten. Auf dem See im Central Park wimmelte es von Schlittschuhläufern. Glöckchen erklangen von der Straße her, die zum Bloomingdale Village
führte. In den Schlitten saßen festlich gestimmte Leute, die für einen Tag aufs Land fuhren.
Cornelia freute sich auf Jonathans Party. Nach der monatelangen Arbeit an ihrem Buch genoß sie eine kurze Erholungspause, ehe sie den nächsten Roman begann.
Zur Überraschung ihrer Mutter, die beklagte, daß ihre Tochter betrüblich wenig Interesse für modische Dinge zeigte, hatte Cornelia sich für die Feiertage sogar ein paar neue Sachen gekauft.
Auf Jonathans Party wollte Cornelia ein weißes Seidenkleid mit violetten Blumenaufdrucken tragen. Die ellbogenlangen Ärmel endeten in Volants aus Brüsseler Spitze. Das Oberteil war tiefer ausgeschnitten, als sie es sonst zu tragen pflegte. Ihre Mutter würde zweifellos jammern, es sei zu gewagt für eine unverheiratete Frau, aber das störte Cornelia nicht. Das Kleid erinnerte sie an den Frühling.
Sophia stieß bei ihrem Anblick Laute der Bewunderung aus. „Sie werden die Königin des Festes sein, Miss", rief sie, während sie Cornelia frisierte. Sophia war entzückt, daß ihre junge Herrin eingewilligt hatte, auf ihren gewohnten strengen Knoten zu verzichten. Statt dessen arrangierte Sophia Cornelia das Haar in Locken, die ihr in üppiger Fülle auf die weißen, bloßen Schultern fielen.
„Das wohl kaum", erwiderte Cornelia. „Erstens bin ich dazu zu alt, und zweitens braucht man dazu ein gewissen Auftreten, das ich nicht habe."
„Wohl mehr einen gewissen Hochmut, wenn Sie mich fragen. Ich habe Freundinnen, die für Damen der Gesellschaft arbeiten. Diese Damen denken, die Welt würde sich um sie drehen. Die Gefühle anderer sind ihnen völlig gleichgültig."
Cornelia kannte diesen Typ Frauen gut. Sie war ihnen oft genug begegnet. Als kleines Mädchen machten sie sich niemals die Hände schmutzig, nahmen an keinen wilden Spielen teil und rümpften die Näschen über jeden, der nicht ihre übertriebene Einstellung hatte. Im Backfischalter fanden sie sich zu Gruppen zusammen und flüsterten sich hinter vorgehaltenen Händen Bosheiten über andere Mädchen zu. Mit achtzehn widmeten sie sich nur noch der wichtigen Aufgabe, eine brillante Partie zu machen, wobei nur Reichtum und gesellschaftlicher Rang zählten, der Mann selbst aber nur eine untergeordnete Rolle spielte.
Wenn sie erst Cornelias Alter erreicht hatten, wurden sie reizbar und versuchten sich einzureden, daß sie immer noch schön, begehrenswert und wichtig waren. Ihre Ehemänner bekamen
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