Historical Weihnachtsband 1993
Wolltuch enger um die Schultern und machte sich auf den Weg zur Küche. Als sie gerade den Kessel auf den Herd heben wollte, blickte sie zufällig aus dem Fenster und sah den Reiter und das Pferd.
Einen Augenblick setzte ihr Herzschlag aus. Konnte es wirklich sein, daß . . .? In der Ferne tauchte nun ein zweiter Reiter auf, dann ein dritter, dann ein vierter. Trotz der Kälte standen Laura mit einem Male winzige Schweißperlen auf der Stirn. Vier Männer. Matthew hatte von vier Verbrechern gesprochen.
Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab und beeilte sich, schnell den schweren Querbalken innen vor die Haustür zu schieben, die Fensterläden zu schließen und den Riegel zu kontrollieren . Als ihr Blick auf das Feuer fiel, das inzwischen hell loderte und knackte, seufzte sie leise. Der Rauch würde die Fremden nicht im Zweifel lassen, daß die Farm bewohnt war. Durch einen Spalt im Fensterladen beobachtete Laura die Reiter, die sich rasch näherten. Zwei von ihnen lenkten die Pferde zum Vorplatz, die beiden
anderen umrundeten das Blockhaus. Schon waren schwere Tritte auf der hölzernen Veranda zu hören, Tritte von Füßen in derben Stiefeln. Laura hob die Flinte des Vaters an die Wange, richtete den Lauf auf die Eingangstür und wartete.
Matthew Braden kauerte zusammengeduckt im Schatten und überlegte, wie oft er sich wohl in einer ähnlichen Situation befunden haben mochte. Zu häufig hatte er dem Tod ins Auge geschaut, um noch zu zählen. Angst vor dem Sterben kannte Matthew nicht. Immer schon war er im innersten, dunkelsten Winkel seines Wesens sicher gewesen, daß der Tag kommen mußte, an dem ein anderer Mann schneller abdrücken oder besser zielen würde. Das hatte stets zu den Risiken gehört, die einzugehen Matthew bereit war.
Doch jetzt ging es um Laura. Mit ihr hatte er in dieser ganzen Sache nicht gerechnet.
Er haßte es, sich eingestehen zu müssen, daß durch seine verdammte Unachtsamkeit nun gerade Laura Conners' Leben in Gefahr geraten war. Mit eigenen Augen ansehen zu müssen, wie die Frau, die er liebte, niedergeschossen wurde, wäre doch wohl der schrecklichste Preis, den er, Matthew Braden, für seine Vergangenheit zu zahlen hätte. Mit ein wenig Glück konnten diese vier Verbrecher in allernächster Zeit seine Gefangenen sein. Aber ohne dieses kleine Quentchen Glück würden Laura und er sterben.
Zum erstenmal in seinem abenteuerlichen Leben fühlte Matthew, daß seine Hände zitterten, als er nach der Waffe griff.
Als die schweren Tritte sich auf der Veranda draußen näherten, vernahm Laura die Stimme eines Mannes. Sie klang leise, doch eisig. Nun ließ sie sich wieder hören, und Laura begriff erst bei diesem zweiten Male, daß es Matthew war, der sprach. Einen Augenblick lang empfand sie eine so große Welle der Erleichterung, daß Laura sich mit einer Hand an der Wand abstützen mußte, um nicht zu wanken. Matthew. Es war Matthew. Sie war in Sicherheit. Doch dann erstarrte sie, als ein Schuß fiel, ein zweiter und gleich darauf noch einige schnell hintereinander.
Ohne an die eigene Gefährdung zu denken, ließ Laura die Flinte fallen und rannte zur Tür. „Matthew!" Sie schob den schweren Holzbalken beiseite, riß die Tür auf und stürzte auf die Veranda.
Die urplötzlich eingetretene Stille schien ohrenbetäubend. Der Desperado, den Laura als ersten gesehen hatte, lag reglos im Schnee zu ihren Füßen. Die Waffe auf die beiden anderen gerichtet, die mit erhobenen Händen dastanden, näherte sich Matthew Braden vorsichtig dem vierten, der bei den Pferden zusammengebrochen war. Als Laura hastig Atem holte, rief ihr Matthew zu, ohne den Mann aus den Augen zu lassen: „Geh sofort hinein, Laura, verriegele die Tür und öffne nicht, bis ich es dir sagen werde."
Laura wirbelte herum und stürzte ins Haus zurück. Krachend warf sie die Tür ins Schloß und brachte den Balken wieder in Position. Dann erst lehnte sie sich schwer gegen das harte Holz.
Stunden schienen sich zu dehnen, bevor Laura wieder Schritte auf der Terrasse vernahm und Matthew von draußen hereinrief, sie könne nun wieder aufmachen.
Sie gehorchte und fiel ihm, als er hereintrat, in die Arme. Sie war so grenzenlos erleichtert, ihn unverletzt wiederzusehen, daß sie gegen die Tränen ankämpfen mußte, die ihr wie ein Kloß im Hals saßen. „Bist du . .." Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die trockenen Lippen und setzte noch einmal zum Sprechen an.
„Bist du unverletzt, Matthew?"
„Mir ist
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