Historical Weihnachtsband 2010
sie soll an Sachen einpacken, was in eine einfache Truhe geht“, befahl er ihr kurzerhand. „Uns bleibt keine Zeit mehr.“
Verständnislos starrte sie ihn an. „Was sagt Ihr da?“
„Die Golden Gull läuft mit der Nachmittagsflut aus. Und Ihr segelt mit ihr.“
„Seid Ihr verrückt?“ Sie entriss ihm ihre Hand. „Ich segle nirgendwohin, weder heute noch an irgendeinem anderen Tag.“
„Nein, liebe Gattin, ich bin nicht verrückt. Nur entschlossen, Euch vor dem Desaster zu retten, das Ihr verursacht habt.“
„Desaster?“, erwiderte sie mit blitzenden Augen. „Seht Ihr unsere Verbindung als ein Desaster?“
„Ihr werdet bald genug herausfinden, wie ich unsere Verbindung sehe. Im Augenblick müssen wir mit der Tatsache fertig werden, dass Elizabeth nicht sehr erfreut sein wird, wenn sie von alldem hört.“
Das Feuer in ihren Augen erlosch. Sie sah ihn mit wachsender Bestürzung an. „Dann ist es also wahr? Ihr … und die Königin?“
Kits Gesicht versteinerte. „Es gibt verschiedene Stufen der Wahrheit.“
„Ich dachte … Ich dachte …“
„Ihr dachtet was?“
Sie holte tief Luft und schüttelte dann den Kopf. „Ich glaubte, mein Cousin erzählte diese Geschichten deshalb so oft und ausführlich, weil er mich mit der Auflösung meiner Ehe versöhnen wollte.“
Kit nahm sich vor, ihr die Wahrheit zu sagen. Dass nämlich der ganze Hof mit all seinen verwickelten Eifersüchteleien und Intrigen sich lang und breit Geschichten über die Königin erzählte, und zwar nur um der eigenen Interessen willen. Seine Lippen wollten schon die Worte formen, als seine Gemahlin sich zu ihrer vollen Größe aufrichtete, sodass sie ihm knapp bis zum Kinn reichte. Wieder schossen ihre Augen Blitze, aber diesmal drückten sie unaussprechliche Verachtung aus.
„Ich hätte auf Robert hören sollen. So wenig ich ihn auch heiraten möchte, das, was die Königin mir übrig lässt, möchte ich noch weniger haben. Ich kann nicht glauben, dass ich so unbesonnen, so töricht und so verdammt dumm war, mich letzte Nacht an Euch zu binden.“
Der Zorn in ihrem Gesicht ließ augenblicklich in Kit jeden Wunsch ersterben, ihr die Wahrheit zu sagen. Sollte sie doch glauben, was sie wollte. Er hatte nicht die Zeit und nur wenig Lust, sie eines Besseren zu belehren.
„Auch mir gefällt Euer unbesonnenes, törichtes und verdammenswert dummes Handeln nicht. Wie dem auch sei, Ihr packt Eure Truhe und kommt mit mir.“
„Ich verspüre nicht den Wunsch, mit Euch irgendwohin zu gehen!“
„Eure Wünsche zählen nicht, Lady Margaret. Ich sage Euch klar und deutlich: Wenn es sein muss, binde ich Euch zusammen wie eine Gans und werfe Euch mir über die Schulter, um Euch an Bord der Gull zu bringen.“
„Das werdet Ihr nicht tun!“
„Oh doch, das werde ich. Und der Gedanke daran erfüllt mich sogar mit beträchtlichem Entzücken.“
Margaret wurde starr vor Wut, und erneut war Kit verblüfft über den Unterschied zwischen der Furie, die sich ihm entgegenstellte, und dem blassen, kränklichen Kind, das er vor so vielen Jahren geheiratet hatte. Flüchtig bedauerte er all die Zeit, die er nicht mit ihr verbracht hatte … und erkannte zugleich, dass die Frau, zu der sie geworden war, sich dringend zum Aufbruch bereit machen musste.
Er verschränkte die Arme vor der mit einem wattierten Wams bedeckten Brust. „Die Zeit verstreicht, Lady Margaret, und mit ihr die Gelegenheit, Eure Sachen zu packen.“
Sie sah, dass er es ernst meinte. Ihr Protest nahm einen beschwörenden Ton an. „Ich kann nicht fort! Weihnachten steht vor der Tür. Es gilt das Fest für meine Pächter und deren Familien vorzubereiten. An die Armen müssen Almosen verteilt werden. Und nach Weihnachten muss ich mich um die Segnung der Pflüge kümmern und der …“
„Euer Verwalter kann sich um diese Aufgaben kümmern.“
„So spricht ein Mann, dessen Füße immer nur auf Schiffsplanken stehen und nicht auf fester Erde“, spottete sie. „Ich bin die Herrin von Oak Manor. In allem, was Höfe und Herden betrifft, handelt er nach meinen Anweisungen.“
„Dann könnt Ihr ihm Eure Anweisungen von Bord der Gull aus schreiben. Ob Ihr nun wollt oder nicht, liebe Gattin, Ihr werdet Euren Gatten begleiten, an den Ihr Euch unbedingt binden wolltet.“
„Aber …“
Kit verlor die Geduld. Rasch trat er auf sie zu, ging ein wenig in die Knie und warf sich die Frau einfach über die Schulter.
Margaret schrie gellenden Protest. Ihre Beine zappelten in
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