Historical Weihnachtsband 2010
Margarets Diener, die Zeuge geworden waren, wie er sie davontrug.
Schneller als eine Ratte vor der Schiffskatze fliehen konnte, flog die Nachricht vom Oberdeck zu den unteren Decks. Ein Seemann nach dem anderen steckte den Kopf durch die Luke oder flitzte die Webeleinen herunter, um mit einem dumpfen Plumps seiner weich besohlten Schuhe auf Deck zu landen.
Wie alle Seeleute zu dieser Zeit, wählte die Mannschaft ihre Kleidung nach ihrem Geschmack. Die meisten schmückten sich mit Rüschen, Federn und Samtstoffen, die sie sich von den erbeuteten Schiffen holten. Die reich verzierte Kleidung wollte nicht so recht zu Gesichtern passen, die reichlich mit wulstigen Narben, fehlenden Zähnen und blau geschlagenen Augen aufwarten konnten.
Kits Stellvertreter hatte sich sogar noch mehr herausgeputzt als die anderen. Xanthos, ein kleiner, krummbeiniger Grieche, von arabischen Sklavenhändlern schon als Baby aus seiner Heimat geraubt, trug ein schwarz-rotes Wams mit Diamantknöpfen und in beiden Ohren goldene Ringe. Seine venezianischen Kniehosen waren aus feinster Wolle, seine Halskrause aus flämischem Leinen. Er bewegte sich mit dem schwankend sicheren Gang eines Mannes, der sein Leben auf See verbracht hatte.
Xanthos war im selben Jahr zu Drakes Mannschaft gestoßen wie Kit. Auch wenn gut zehn Jahre Altersunterschied sie trennten und Xanthos darauf bestand, der Ältere und Weisere zu sein, so hatten beide Männer über Jahre hinweg Seite an Seite gekämpft, Seite an Seite getrunken und auch mit der gleichen Begeisterung den Frauen nachgestellt. Kit hätte Xanthos sein Leben anvertraut … und hatte es in vielen Schlachten auch schon getan.
Die dunklen Augen des Griechen musterten die Frau an Kits Seite mit glühendem Blick. „Na also! Endlich brichst du mit deinem törichten Grundsatz und nimmst auf dieser Reise eine Frau zu deinem Vergnügen an Bord. Um einen Mann deiner Größe zu befriedigen, erscheint sie mir ein wenig zu knochig, aber …“ Sein Blick verharrte auf ihrem schwellenden Busen, der zwischen den Falten des Mantels hervorschimmerte. „Sie ist schon in Ordnung, Kristo, sie ist schon in Ordnung. Wie heißt sie denn?“
Bevor Kit Xanthos über den wahren Sachverhalt aufklären konnte, schüttelte seine Frau verärgert seine Hand ab. Sie trat vor und musterte Xanthos mit zornigen Blicken.
„Ihr, Sir, werdet mich mit ‚Lady Margaret‘ ansprechen. Und wenn Ihr nicht augenblicklich diesen lüsternen Ausdruck aus Eurem Blick nehmt, wird mein Gatte Euch mit dem Degen durchbohren, über Bord werfen oder sonst tun, was er üblicherweise mit Männern tut, die an Bord seines Schiffes Frauen beleidigen.“
Von der ganzen Tirade blieb bei Xanthos nur ein Wort hängen.
„Gatte!“ Sein ungläubiger Blick schweifte von der Frau vor ihm zu dem Mann an ihrer Seite. „Erzähl mir jetzt nicht, dass du dieser Gatte bist, der mich durchbohren oder über Bord werfen soll, Kristo!“
„Bin ich.“
Ein breites Grinsen zeigte sich auf dem Gesicht des Griechen. Erneut musterten seine schwarzen Augen die junge Dame von oben bis unten.
„Das ist also das bleichgesichtige, kleine Ding, das du geheiratet hast? Die, die dir bei eurem Hochzeitsfest in den Schoß spuckte?“
„Ein und dieselbe“, meinte Kit gedehnt.
Xanthos wippte auf den Fußballen vor und zurück. Und als Margaret sich jetzt mit angewidertem Gesicht an ihren Gatten wandte, grinste er sogar noch breiter.
„Habt Ihr etwa jedem von diesem schrecklichen Tag erzählt?“
„Nicht jedem.“ Er warf seinem Stellvertreter einen niederschmetternden Blick zu. „Nur jenen, die ich für meine Freunde hielt.“
„Und die Pusteln“, fügte sein angeblicher Freund hinzu. „Von den Pusteln hat er mir auch erzählt.“
Margarets Blick wurde eisig. „Tatsächlich!“
Mit vergnügt funkelnden Augen, die verrieten, dass er Kit damit jede verlorene Wette und jede wahre oder eingebildete Beleidigung heimgezahlt hatte, zog Xanthos mit Schwung den Hut und verbeugte sich vor Margaret.
„Lady Margaret, darf ich bemerken, dass Ihr inzwischen weit vorteilhafter ausseht, als Kristos Erinnerungen Euch beschreiben.“
„Nein, das dürft Ihr nicht.“
Eiseskälte lag in jeder Silbe, die sie sprach, doch ihre Kälte entmutigte den Griechen nicht im Geringsten. Er winkelte den Arm und bot ihn ihr so formvollendet an, dass es einem Höfling Elizabeths alle Ehre gemacht hätte.
„Ich bitte um Verzeihung, sollte meine ungeschickte Zunge Euch beleidigt haben. Bitte
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