Historical Weihnachtsband 2010
einer Wolke aus Röcken und Unterröcken. Sie stemmte die Fäuste in seinen Rücken, richtete sich auf und ließ keuchend ihrer Wut freien Lauf.
„Ihr seid ein ungeschlachter, rücksichtsloser Lümmel. Ein ungehobelter Holzkopf! Lasst mich sofort runter! Sofort, sage ich!“
Ohne auf ihren wutschäumenden Befehl zu achten, bückte Kit sich erneut, raffte ihren Mantel vom Boden auf und marschierte in die Halle. Aus allen Richtungen war das Geräusch von Schritten zu hören, denn die Dienerschaft kam angerannt, um zu sehen, was geschehen war. Kit wirbelte herum, was das Bündel auf seiner Schulter erneut in Schreie ausbrechen ließ. Er ließ den Blick über die Reihe erstaunter Gesichter gleiten, bis er das eine gefunden hatte, das er suchte.
„Mistress Violet?“
„Sir Christopher?“ Die dicke Matrone mit den Rosinenaugen hielt sich verblüfft am Treppengeländer fest. „W… was macht Ihr mit meiner Margaret?“
„Ich nehme sie mit zur Golden Gull . Wir segeln mit der abendlichen Flut aus.“
Violet schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Sagt doch so etwas nicht!“
„Packt alles, was sie benötigt, in eine Truhe“, wies Kit sie an, „und schickt sie rasch zur Gull , oder Eure Herrin wird die nächsten Wochen damit verbringen, immer wieder ihr Hemd zu waschen.“
Die zappelnde Last auf seiner Schulter krümmte sich wie wild. „Violet! Kümmere dich nicht um die Truhe. Schicke Lord Brough eine Nachricht! Bitte ihn, sofort zu kommen und … oh!“
Der kräftige Schlag auf das mit mehreren Lagen Samt, Wolle und Batist gut gepolsterte Hinterteil seiner Frau konnte eigentlich nicht wehtun. Trotzdem brachte er sie mitten in ihrem Geschrei damit zum Schweigen.
„Wir brauchen Lord Brough nicht, um uns Lebewohl zu sagen, liebe Gattin .“
„Einfaltspinsel!“ Sie hieb ihm mit der Faust auf den Rücken. „Ungehobelter Taugenichts!“
Ohne auf ihre wütenden Schmähungen zu achten, deutete er eine kleine Verbeugung an. „Lebt wohl und frohe Weihnachten, Mistress Violet. Schickt Lady Margarets Sachen auf die Gull .“
Er rückte sich seine Last auf der Schulter zurecht und schritt zur Tür. Ein Diener machte große Augen. Er zögerte anfangs, doch dann sprang er hinzu und öffnete Kit die Tür. Kit bog nach links ab und folgte dem Kiesweg zu den Ställen. Als er an den Nebengebäuden vorbeiging, liefen Milchmädchen, Taubenschlaghüter und Stallarbeiter herbei. Mit offenem Mund starrten sie das Schauspiel an, das ihre Herrin bot, die fortgetragen wurde von … Großer Gott, es war wirklich ihr Ehemann!
Kit lächelte spöttisch, als jetzt im Stallhof wie eine Flutwelle ein entsetztes Getuschel anhob. Während er seine vor Wut schäumende Last auf dem Pferd ablud, das er sich aus Drakes eigenen Stallungen geborgt hatte, weitete sich sein Lächeln zu einem breiten Grinsen.
Sie mochte tatsächlich die würdige Gattin eines Vagabunden der Meere abgeben. Ihr Haar, schwarz wie eine Sturmnacht, wehte wild im morgendlichen Wind. Ihre Wangen glühten, und ihre grünen Augen sprühten Feuer. Und der Zorn, der sie erfüllte, ließ ihren Busen fast das Mieder sprengen. Kit zweifelte nicht daran, dass sie ihm mit Freuden die Eingeweide herausreißen und sie den Krähen zum Fraß vorwerfen würde, wenn sie könnte.
Er warf ihr ihren Mantel zu. „Hier, wickelt Euch darin ein. Ich möchte nicht, dass Ihr Euch eine Erkältung holt. Wenn ich mich recht erinnere, so seid Ihr eine äußerst launische und wehleidige Patientin.“
Margaret warf sich den Mantel um die Schultern und starrte Kit wütend an. „Ich war damals noch ein Kind!“
„Das wart Ihr.“ Kit nahm dem Stalljungen, der sie mit offenem Mund anstarrte, die Zügel aus der Hand und schwang sich in den Sattel. „Letzte Nacht aber habt Ihr Euch alle Mühe gegeben, mir zu beweisen, dass Ihr es nicht mehr seid. Lasst uns aufbrechen, liebe Gattin. Bald werde ich erfahren, worin Ihr Euch noch verändert habt.“
Er wendete sein Pferd und ritt durch das Tor. Einmal außerhalb des Herrensitzes ließ er den Wallach in Trab fallen. Um nicht von ihrem Behelfssitz herunterzufallen, musste Lady Margaret notgedrungen die Arme um Kits Taille legen. Nachdem Kit sich überzeugt hatte, dass sie sicher saß, ließ er dem Pferd die Zügel schießen.
Die See rief ihn.
Er würde davonsegeln. Und seine Frau mit ihm.
Als die Mannschaft der Gull gewahr wurde, dass eine zerzauste, schlammbespritzte Frau ihren Kapitän begleitete, war sie nicht weniger erstaunt als
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