Historical Weihnachtsband 2010
Jahrestag ihrer Hochzeit mit einem nicht anwesenden Ehemann war, hatte Margaret sich immer bemüht, die Tage für alle Bewohner von Oak Manor zu einem schönen Fest werden zu lassen. Zum ersten Mal in ihrem Leben würde sie jetzt nicht da sein, um mit ihnen zusammen zu feiern. Sie würde Weihnachten versäumen und vielleicht auch noch das Fest der Heiligen Drei Könige.
Du lieber Gott – ob sie wenigstens rechtzeitig zum Pflügen nach Hause zurückkehren konnte? Und zur Geburt der jungen Lämmer?
Sie war mit ihren Sorgen beschäftigt, und so dauerte es einige Zeit, bis sie merkte, dass die Gull um Hobbs Point herumgeglitten war. Die See war jetzt unruhiger, und es wehte ein lebhafterer Wind. Doch ihrem Magen tat das nichts!
Sie war nicht die Einzige, die diese erfreuliche Tatsache zu würdigen wusste. Als ihr Gatte kurz darauf neben sie trat, betrachtete er mit einiger Überraschung ihre windzerzausten Haare und geröteten Wangen.
„Ich hatte eigentlich nicht erwartet, Euch so weit von der Küste entfernt noch aufrecht auf den Beinen zu finden.“
„Ich auch nicht“, gab Margaret wahrheitsgemäß zu.
Ein Lächeln umspielte seine Lippen.
„Nur um sicherzugehen, rate ich Euch, beim Abendessen nicht mehr als etwas Schiffszwieback und ein wenig Wein zu Euch zu nehmen.“
Margaret machte ein langes Gesicht. In ihrem Zorn und ihrer Wut darüber, so jäh aus Oak Manor entführt worden zu sein, hatte sie das Brot, das kalte Rindfleisch und den Käse, was der Schiffsjunge ihr und Violet als verspätetes Mittagsmahl gebracht hatte, kaum angerührt. Und die Aussicht, ohne Abendessen auf Reisen zu gehen, gefiel ihr auch nicht.
Sie legte den Kopf in den Nacken und sah ihren Gemahl an. „Wenn wir uns zu Tisch setzen, werdet Ihr vielleicht merken, dass ich aus meinen kindischen Launen herausgewachsen bin.“
„Vielleicht“, meinte er obenhin. Sein Blick hing immer noch an ihrem Gesicht, als erwartete er, dass es sich jeden Moment grün verfärben könnte.
Während er sie betrachtete, erdreistete Margaret sich, ihn ebenso eingehend zu studieren. Und sie musste zugeben, dass er einen höchst eindrucksvollen Anblick bot. Noch nie hatte sie einen modischer gekleideten Mann gesehen. Mancher mochte den goldenen Ring in seinem Ohr etwas verwegen finden, aber seine Kniehose passte wie angegossen und betonte seine muskulösen Waden und die kräftigen Schenkel. Sein schwarzes Wams lenkte den Blick von den schmalen Hüften und der schlanken Taille auf die breiten Schultern. Und wie er da so breitbeinig, mit windzerzausten Haaren auf dem auf- und niederstampfenden Schiff stand, bot er Margaret ein Abbild dessen, was er auch im wirklichen Leben war – der absolute Herr über sein Schiff und alle Menschen an Bord.
Der Gedanke verstärkte das leere Gefühl in Margarets Magen. Wollte er auch Herr über sie sein? Hatte er sie deswegen gezwungen, auf sein Schiff zu gehen? Wollte er heute Nacht seine Lust zwischen ihren Schenkeln finden und sie besitzen, wie er sie vergangene Nacht besessen hatte?
Ohne jede Vorwarnung zog sich ihr der Magen zusammen. Die Heftigkeit des Gefühls erschreckte sie ebenso wie der Gedanke, sich wieder mit ihrem Gemahl zu vereinigen.
Hatte er etwa vor, ihr während dieser ganzen Reise beizuliegen?
Wünschte sie es sich?
Nein, nein, natürlich nicht! Was sie tat, geschah aus Notwendigkeit und aus keinem anderen Grund. Sie kannte diesen Mann doch kaum. Wusste nicht das Geringste von seinem Wesen oder seiner Art. Bis sie und Sir Christopher über den Kurs entschieden hatten, den ihre Ehe auf den vor ihnen liegenden dunklen Wassern nehmen sollte, würde sie auf getrennten Betten bestehen. Violet, und nicht der Kapitän, würde die große Kajüte mit ihr teilen.
Eines Tages, vielleicht, würde sie wieder seine Lippen auf den ihren spüren, würde die starken Muskeln fühlen, wenn er sie in die Arme nahm und …
Wieder rebellierte ihr Magen. Margaret war empört über ihre lüsternen Gedanken und ihren verräterischen Körper und suchte nach einer Ablenkung.
„Darf ich mich auf dem Schiff ein wenig umsehen? Ich war noch nie zuvor auf einer Galeone. Ich möchte gerne alle Ecken und Winkel kennenlernen.“
„Es gibt hier Ecken und Winkel, die ich selbst noch nicht einmal kennenlernen möchte“, erwiderte Kit mit einem schiefen Lächeln. „Am besten gebe ich Euch den Schiffsjungen zur Begleitung, sonst stolpert Ihr noch über Anblicke, die Euer Feingefühl verletzen.“
Margaret zog die Brauen hoch
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