Historical Weihnachtsband 2010
hinaufkletterte. Dann duckte sie sich unter der Tür hindurch, die in die Kapitänskajüte führte.
John Smallwood setzte seine Last auf dem blank polierten Eichentisch ab, der fast das ganze private Speisezimmer ausfüllte, und begann aufzudecken.
Margaret streifte im Gehen ihren Mantel ab und schlenderte in das Schlafgemach.
„Du wirst es nie glauben, wie sauber und ordentlich die Küche ist, Violet. Der Koch zeigte mir die Öfen und einen Bratspieß, der sich durch Hitze …“
Jäh hielt sie inne. Die Worte blieben ihr in der Kehle stecken. Anstelle der dicken, gemütlichen Gestalt ihrer Gefährtin erblickte sie ihren Gatten. Er war nackt bis zur Taille und beugte sich über einen mit verschlungenen Schnitzereien geschmückten Waschtisch.
Während er sich Wasser ins Gesicht spritzte, um den Seifenschaum zu entfernen, sah Margaret sich hastig im Raum um und suchte ihre Freundin. Das Gemach war fast ebenso groß wie ihr eigenes auf Oak Manor, aber weit reicher mit den geplünderten Kostbarkeiten vieler Kaperreisen ausgestattet. Exotische, rote Seide bedeckte das breite, große Bett. Margaret vermutete, dass es extra für die übergroße Statur des Kapitäns angefertigt worden war. Der mächtige, geschnitzte Sessel mit den mit Samt überzogenen Kissen hätte den Privaträumen eines Lords alle Ehre gemacht. Und erst die Bücher!
Noch nie hatte sie eine solche Sammlung lederbezogener Buchbände mit prächtiger Goldprägung gesehen.
An einer Wand verstaut entdeckte sie ihre Truhe und das kleine Kästchen aus Sandelholz, in welches Violet ihre Haarbürsten gepackt hatte und was noch von dem kostbaren Parfüm übrig geblieben war, mit dem sie sich am Abend zuvor eingerieben hatte. Doch nirgendwo konnte sie Anzeichen ihrer Begleiterin entdecken.
Margaret erstarrte. Aber sie wartete, bis ihr Gemahl seine Säuberung beendet hatte.
„Wo ist Violet?“
Er rieb sich das Gesicht mit einem Leinentuch trocken und warf es dann beiseite. „Sie hat sich in ihre Unterkunft zurückgezogen.“
„Ihre Unterkunft? Aber ich wünschte doch, dass sie meine Unterkunft hier mit mir teilt.“
„Ach ja?“
Mit der geschmeidigen Eleganz einer trägen Katze suchte er in einer Kleidertruhe, die in der gegenüberliegenden Wand eingebaut war, nach einem frischen Hemd und zog es sich über den Kopf. Ungeduldig wartete Margaret darauf, dass es sich ihm über die Schultern legte.
„Ja, das wünschte ich.“
Achselzuckend griff er nach einem reich bestickten Wams. „In diesem Punkt stimmen unsere Wünsche nicht überein.“
„Wie es scheint, stimmen unsere Wünsche in den meisten Punkten nicht überein“, gab Margaret zurück. „Ihr wolltet mich nicht zur Frau haben, und ich wollte nicht an Bord Eures Schiffes kommen.“
Über den schwarz-weiß bemalten Boden hinweg traf sie sein Blick. „Ihr habt Euch entschlossen, meine Frau zu bleiben, Margaret. Jetzt müsst Ihr mit den Konsequenzen leben.“
Sie wich seinem Blick nicht aus und hob angriffslustig das Kinn. „Folglich bedeutet das auch, dass ich bei Euch liegen muss?“
„Ja.“
Bei seiner nüchternen Antwort verschlug es ihr den Atem.
„Und wenn ich das nicht will?“
„Wie Ihr schon sagtet, scheinen in den meisten Punkten unsere Wünsche nicht übereinzustimmen.“
„Ihr … Ihr würdet mich dazu zwingen?“
„Nein, meine Liebe, das würde ich nicht.“ Er verzog die Lippen. „Aber ich sollte Euch warnen. Gut möglich, dass ich Euch mit gleicher Münze heimzahle, was Ihr letzte Nacht …“
„Mit gleicher Münze …? Oh.“ Ihre Wangen färbten sich rot. „Ihr meint den Trank.“
„Aye“, erwiderte er gedehnt. „Der Trank.“
Mit ein paar Schritten war er bei ihr, legte einen Finger unter ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen.
„Soweit ich mich noch an die letzte Nacht erinnere, seid Ihr in meinen Armen vor Leidenschaft entbrannt. Und ich … ich verlor mich in Eurer seidenzarten Wärme.“ Wie das sanfte Kommen und Gehen der Flut strich sein Daumen über ihre Unterlippe. „Ich glaube, wenn wir beide es wollen, können wir diese Flammen wieder entfachen.“
Margaret stockte jäh der Atem. Das dünne Fischbein, das ihr Mieder verstärkte, drückte sich in ihre Taille. Und ihr Herz hämmerte so schnell und hart gegen ihre Rippen, dass sie sicher war, Kit müsste es trotz des Knirschens und Stampfens seines Schiffes hören.
Bevor sie noch gegen seine Vertraulichkeiten protestieren oder besser gesagt, bevor sie auch nur darüber entscheiden konnte,
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