Historical Weihnachtsband 2010
ob sie es tun wollte, nahm er ihr den Mantel aus den Händen und hängte ihn an einen Haken. Dann nahm er sie beim Ellbogen und drehte sie in Richtung des anderen Raums, in dem die Speisen aufgetragen waren.
„Kommt, nehmt etwas Wein und Zwieback zu Euch, damit Euer Hunger nicht gar so groß ist. Danach werden wir über diese Ehe sprechen, die uns verbindet.“
Margaret nahm auf dem Stuhl Platz, den er ihr am Tisch zurechtrückte, und wartete, während er John Smallwood entließ. Genauso wie am Abend zuvor erschreckte sie das Geräusch des Riegels, der ins Schloss fiel.
Doch da war sie noch eine unerfahrene Jungfrau gewesen, die sich mithilfe von Wein und Violets Pulver Mut gemacht hatte. Jetzt hatte sie schon eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was zwischen ihr und diesem Mann geschehen konnte, wenn er darauf bestand.
Ob er es tun würde?
Wollte sie, dass er es tat?
Völlig verwirrt griff sie nach dem Wein, den er ihr eingeschenkt hatte, und nahm einen langen Schluck. Der schwere, süße Portwein rann ihre Kehle hinunter und wärmte ihr Inneres. Und der Anblick, den ihr Gatte bot, der ihr gegenüber lässig zurückgelehnt in seinem Sessel saß, bewirkte, dass ihr noch heißer wurde.
Sein schwarzes Wams stand offen. Auch das weiße Hemd darunter klaffte weit auf und gab den Blick auf ein goldenes Büschel Haare frei. Der Ring in seinem Ohr schimmerte im Licht der Lampe. Selbst in einer so lässigen Haltung strahlte er geballte Kraft und das Selbstbewusstsein eines Mannes aus, der seinen Wert kannte. Und außerdem besaß er auch noch dieses gewisse spitzbübische gute Aussehen, womit er einer Frau das Herz stehlen konnte. Jeder Frau.
Kein Wunder, dass die Königin eine Schwäche für ihn hat, dachte Margaret in einem Anfall von Verzweiflung. Wer hätte das nicht?
Sie entschloss sich, die Karten auf den Tisch zu legen und erwiderte den ruhigen Blick ihres Gatten. „Werdet Ihr Euch scheiden lassen?“
„Nein.“
„Selbst dann nicht, wenn die Königin es wünscht?“
„Nein.“
Die knappe Antwort ließ Margaret verwundert blinzeln. Ihr Gemahl war wirklich ein Mann klarer Worte.
„Warum nicht? König Henry ließ sich von zwei seiner Gemahlinnen scheiden. Seine Tochter könnte Euch dazu drängen, Euch von Eurer unbequemen Gattin scheiden zu lassen.“ Ihre Finger schlossen sich fester um den Stiel ihres Pokals. „Oder sollte ich mich etwa vor einem Treppensturz fürchten und vor einem gebrochenen Genick?“
Sie konnte sehen, wie wenig ihm ihre Frage gefiel. Eine jähe Röte schoss über seinen Hals, und in seinen blauen Augen lag plötzlich eine Kälte, wie sie die See draußen besaß.
„Von mir habt Ihr nichts zu befürchten, Lady Margaret.“
Noch bevor er die Worte ausstieß, wusste sie, dass er die Wahrheit sprach. Kit Walsh hätte sie in der vergangenen Nacht in dem Gasthaus missbrauchen können. Als er heute Morgen entdeckte, dass sie ihn hinters Licht geführt hatte, hätte er sie noch grober anpacken können. Es stimmte schon, es hatte ihr nicht gefallen, über die Schulter geworfen und aus ihrem Heim geschleppt zu werden. Doch außer, dass ihre Würde eine schmerzliche Schramme erlitt, war ihr kein Leid widerfahren.
An diesem Spiel waren jedoch mehr Spieler beteiligt als nur Margaret und ihr Gatte. Fest sah sie ihm in die Augen und zwang sich, die Frage auszusprechen, die ihr auf der Seele lag.
„Und die Königin? Habe ich von ihr auch nichts zu befürchten?“
Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus, als er ihr nicht sofort antwortete.
„Heilige Mutter Gottes!“, flüsterte sie zitternd. „Welchen Intrigen stehe ich im Wege?“
„Keiner.“ Er beugte sich mit ernstem Gesicht zu ihr hinüber. „Für Ihre Majestät bin ich nichts weiter als ein wagemutiger, kecker Spitzbube, den sie amüsant findet. Ich strebe nach keinen Titeln noch nach hohen Ämtern, die mich doch nur vom Meer und meinem Schiff fernhalten würden.“
Eindringlich sah er ihr in die Augen. „Es gibt jedoch einige bei Hofe, die etwas anderes glauben. Um mich aus Elizabeths Gunst zu verdrängen, würden sie die Flammen der Eifersucht bei der Königin schüren. Und ich fürchte, solche Flammen könnten auch Euch verbrennen, Margaret. Ihr könntet Euren Besitz verlieren, der Euch so teuer ist.“
Wenn nicht sogar den Kopf!
„Ich wusste nicht …“, flüsterte sie matt. „Ich dachte nicht …“
Nie hatte sie wahrer gesprochen! Mit der Kraft der Wellen, die sich an den Klippen von Oak Manor brachen,
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