Historical Weihnachtsband 2010
sich stöhnend in ihr bewegte, ließ Elizabeth ihre Gedanken wandern. Es würde nicht mehr lange dauern, denn er näherte sich bereits dem Höhepunkt. Bald war es vorbei. Sie würde alle Spuren dieser Vereinigung von sich abwaschen und danach ihren Strohsack für die Nacht aufsuchen. Seine drängende Stimme unterbrach ihre Träumerei.
„Elizabeth? Schau mich an, Mädchen.“ Die Erregung ließ seine Stimme heiser klingen. Elizabeth öffnete die Augen. Sie bemühte sich, einen klaren Kopf zu bekommen, und sah in das Gesicht über ihr. Er war immer noch in ihr.
„Mylord?“, fragte sie und überlegte, warum er ihren Namen gerufen hatte.
Betroffen sah Gavin sie an, während sie spürte, dass er den Höhepunkt erreichte. Sie wartete darauf, dass er den Liebesakt beendete und sich aus ihr zurückzog. Doch er blieb still liegen und starrte sie an, als würde er noch etwas von ihr erwarten.
„Mylord?“, fragte sie wieder. „Was habe ich falsch gemacht?“
Diese Aufmerksamkeit beunruhigte sie. Sie fühlte sich bloßgestellt. Gewöhnlich sorgte ein Mann dafür, dass er auf seine Kosten kam. Und wenn er fertig war, ging er, ohne dass sie noch etwas tun musste. Das hier war so anders.
Endlich löste er sich von ihr. Er zog neben dem Bett seine Beinlinge an und warf sich dann die Tunika über. Elizabeth schob den Kittel wieder über ihre Beine und kauerte sich an das Kopfende des Bettes. Jetzt mied er ihren Blick. Er war sichtlich verwirrt. Mit gefurchter Stirn strich er sich die Haare aus den Augen und fuhr sich mit der Hand über den Kopf. Als hätte er etwas verloren, blickte er sich im Raum um. Dann sah er sie an, und Elizabeth war betroffen von dem Schmerz, den sie in seinen Augen entdeckte.
„Geh nicht fort“, befahl er ihr, während er einen langen Mantel von dem Wandhaken neben der Tür nahm. Sie erschrak über seinen barschen Ton. So hatte er noch nicht mit ihr gesprochen. Dann riss er die Tür auf, die danach krachend hinter ihm ins Schloss fiel. Er war fort.
Seitdem sie begonnen hatte, in dieser Welt ihren eigenen Weg zu gehen, war es das erste Mal, dass sie sich benutzt fühlte … beschmutzt. Das so mühsam erkämpfte ruhige Hinnehmen ihrer Lebenssituation brach in sich zusammen. Und sie wusste nicht, wie sie es wieder zusammensetzen sollte.
Sein Kopf hämmerte, während er die Treppen emporstieg, die zu den Zinnen des Turms führten. Gavin wusste nur, dass er vom Ort seiner Missetat flüchten und darüber nachdenken musste, wie er ab jetzt weitermachen sollte. All seine Pläne, das Mädchen zu bezaubern und zu verlocken, waren zu einer Falle für ihn selbst geworden. Und in dem Moment, als sie sich ihm so gelassen anbot, hatte er nur noch daran denken können, sie zu nehmen und diesen ruhig entschlossenen Ausdruck aus ihren Augen zu vertreiben.
Er erreichte das vierte Stockwerk und stieß die Tür auf, die in den kalten Wind führte, der am Turm der Burg von Silloth rüttelte. Der Sturm, der seit Tagen tobte und die Bewohner zwang, drinnen zu bleiben, begann zwar nachzulassen, doch als Gavin aus der Tür trat, flatterte und bauschte sich der Mantel, den er um die Schultern geworfen hatte. Von der kleinen Steinbrüstung her nickte ihm der Wächter zu, der diesem Ort zugeteilt war.
In Dunkelheit und Kälte ging Gavin weiter bis zur Mauerecke. Er starrte in die Nacht und versuchte zu verstehen, was gerade geschehen war. Niemals, solange er sich erinnern konnte, hatte er so sehr die Kontrolle über sich verloren wie eben bei Elizabeth. Etwas an ihrer resignierten Haltung hatte ihn herausgefordert, und einen Moment lang war er entschlossen gewesen, sie den Liebesakt anders erleben zu lassen. Er hatte nicht wie die anderen sein wollen, die bei ihr lagen und sie nahmen. Er würde für ihre Gunst nicht bezahlen. Er würde sie dazu bringen, dass sie ihn wollte und dass sie es wollte …
Die Einfältigkeit seiner Gedanken erschreckte ihn. Elizabeth hatte aufgehört, eine Persönlichkeit für ihn zu sein. Am Ende war sie nur noch ein Mittel zum Zweck gewesen. Orricks Suche war zu seiner eigenen geworden. Er benutzte alle Mittel, sogar sie selbst, um zum Erfolg zu gelangen. Und dabei war er nichts als nur ein Mann mehr in ihrem Bett gewesen.
Gavin strich sich das Haar aus dem Gesicht und band es mit einer Lederschnur zusammen, die er in seinem Mantel bei sich trug. Dann ging er ein paar Schritte und versuchte, in der Dunkelheit, die ihn umgab, etwas zu erkennen. Um ihn herum pfiff der Wind, und er ließ
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