Historical Weihnachtsband 2010
sich von ihm durchblasen. Der Sturm war nichts, verglichen mit dem Gefühlschaos in seinem Innern.
Er schloss die Augen und erlebte in Gedanken noch einmal den Augenblick, als ihm bewusst geworden war, was er tat. Sie lagen beide schon auf dem Bett, und er war bereits in sie eingedrungen. Er hatte die Realität, Elizabeths wahre Reaktionen ignoriert und war kurz vor dem Höhepunkt. Da hatte er sie angesehen. Zum ersten Mal richtig angesehen. Unbeweglich lag sie unter ihm, nahm alles, was er gab, und reagierte auf nichts. Oh, sie war weich und feucht, doch sie spürte ihn nicht. Sie spürte überhaupt nichts. Und da sie die Augen nicht öffnete, als er ihren Namen rief, hielt er sie zuerst sogar für bewusstlos.
Doch als sie ihn dann mit ihren kalten, blicklosen Augen ansah, war alles noch weit schlimmer gewesen. Ihr leeres Starren zwang ihn nachzudenken und zu erkennen, was er tat. Er war mit einer Frau beisammen, die noch nicht einmal merkte, was zwischen ihnen geschah. Einer Frau, die wie eine Tote unter ihm lag.
Es war nicht die bittere Kälte hier oben, die ihn erschauern ließ. Ihn schauderte wegen seiner eigenen Kälte, die ihn gedankenlos bei einer Frau liegen ließ, die nicht die Wahl hatte, Nein zu sagen. So etwas hatte er noch nie getan – nicht einmal während seiner ersten Erfahrungen mit der Lust und den Sünden des Fleisches.
Gavin fluchte leise über seinen Mangel an Selbstbeherrschung und Urteilskraft. Er fragte sich, wie es so weit hatte kommen können und wie er seine Tat wiedergutmachen konnte. Knirschende Schritte hinter ihm zogen seine Aufmerksamkeit auf sich. Sie sagten ihm, dass der Wächter sich ihm näherte.
„Mylord, Lady Margaret erwartet Euch drinnen und wünscht, dass Ihr Euch zu ihr gesellt.“
Mit einem Nicken folgte Gavin dem Mann zur Tür und öffnete sie. Orricks Frau stand direkt dahinter und trat zur Seite, um ihn einzulassen. Wortlos ging sie den Gang hinunter und steuerte auf einen kleinen Alkoven zu. Gavin nahm seinen nassen Mantel ab und warf ihn sich über die Schulter.
„Gibt es Ungemach, Mylord?“ Margarets Stimme besaß noch den weichen Klang der Jugend.
„Nicht, dass ich wüsste, Mylady.“
Sie warf ihm einen scharfen Blick zu und musterte ihn eindringlich mit schräg gelegtem Kopf. „Mein Gatte und Herr erzählte mir von Eurem besonderen Arrangement für heute Abend und von dem Auftrag, den Ihr bezüglich der jungen Hu… der jungen Frau Elizabeth von ihm erhieltet. Jetzt knallt Ihr die Tür Eurer Kammer und marschiert hinauf auf die Zinnen. Ist etwas nicht in Ordnung?“
Verdammt! Orrick hätte es nicht weitererzählen sollen. Es hätte ihrer beider Geheimnis bleiben müssen. Frauen sehen manche Dinge auf eine seltsame Art, und die Burgherrin war keine, der man von gewissen Abmachungen unter Männern berichten sollte.
„Seid unbesorgt, Mylady. Es ist alles in Ordnung.“ Gavin hatte nicht vor, ihr zu erklären, was in der Kammer geschehen war. Ungeduldig trat er von einem Fuß auf den anderen und überlegte, wie er die Unterhaltung beenden könnte, als ihre Worte ihn hart trafen.
„Benötigt sie die Dienste unseres Heilers, Mylord?“
Margaret glaubte, er hätte Elizabeth verletzt! Diese Kränkung traf seine Seele wie ein Peitschenhieb.
„Lady Margaret! Ihr müsstet mich besser kennen! Wie könnt Ihr nur so etwas fragen?“ Trotzdem meldeten sich leise Gewissenbisse, und ihre Worte bestätigten sie nur.
„Mylord, ich habe davon gehört, wie gut Ihr Eure Gattin behandelt habt. Aber Huren sind etwas anderes, nicht wahr?“
Er begegnete ihrem stählernen Blick und wusste, dass sie über Dinge in ihrer Vergangenheit sprach. Er kannte die Geschichte, wie aus Margaret, der Hure des Königs, Orricks Gattin wurde. Das hier war ein viel zu persönliches Gespräch, um es noch weiterzuführen.
„Ich versichere Euch, dass es Elizabeth gut geht, Mylady. Und nachdem ich jetzt meinen Spaziergang gemacht habe, werde ich meine Kammer für die Nacht aufsuchen.“ Er deutete eine Verbeugung an und wollte sich gerade abwenden, als ihm noch eine Frage einfiel. „Seid Ihr besorgt wegen der Aufmerksamkeit, die Orrick ihr schenkt?“
Margaret lächelte und senkte für einen Moment den Blick. „Ihr wollt damit andeuten, dass er ihre Gesellschaft oder ihre Gunst sucht?“ Gavin nickte. „Nein, Mylord. Seht, ich weiß, dass Orrick durch sein Wesen verirrte und verwundete Kreaturen anzieht. Er bietet ihnen Zuflucht, damit sie sich erholen können, und danach halten
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