Historical Weihnachtsband 2010
sie ihm für immer die Treue.“
„Und Ihr glaubt, Elizabeth ist eine dieser Verirrten?“
„Oh ja, Mylord. So wie wir es alle sind.“
Und damit ging Lady Margaret mit einem Nicken an ihm vorbei und ließ ihn im Gang stehen. Gavin hatte ihre Worte gehört und deren Wahrheit erkannt. Aber seine Gedanken wanderten zu der Frau, die er in seinem Gemach zurückgelassen hatte.
4. KAPITEL
Die Tür öffnete sich leise. Hätte Elizabeth nicht die ganze Zeit darauf gewartet, hätte sie es gar nicht bemerkt. Gavin trat ein wie jemand, der sich nicht sicher war, was ihn in der Kammer erwartete. Und da sie nicht wusste, wie er wohl reagieren würde, kannte sie dieses Gefühl nur allzu gut. Er blickte sich im Raum um, bis er sie entdeckte. Sie saß in der äußersten Ecke, weit weg vom Bett und auch von den Speisen – den beiden Verlockungen dieses Abends. Um die Wahrheit zu sagen, zwei von drei Verlockungen, denn er wirkte ähnlich verführerisch auf sie.
„Mädchen“, sagte er, während er den Stuhl vom Tisch zu sich heranzog. Er drehte ihn mit der Lehne ihr zu und setzte sich rittlings darauf. „Habe ich dir wehgetan?“
Sie richtete sich auf ihrem Stuhl auf und zog das Betttuch fester um die Schultern. Seine Worte klangen sanft, und sie konnte spüren, dass er sich um ihr Wohlbefinden sorgte. Warum tat er ihr das an? Was war an ihm so anders als an den anderen? Und warum sehnte sich etwas in ihr nach diesem anderen, das er ihr anbot?
„Mir geht es gut, Mylord. Ich habe gewartet, wie Ihr befohlen habt.“ Elizabeth beobachtete ihn, während er nach Worten suchte. Etwas war bei ihrer Vereinigung nicht richtig gewesen. Sie konnte sehen, dass er damit zu kämpfen hatte. Leider wusste sie nicht, was es war, und konnte ihm deshalb auch keine Hilfe anbieten.
„Ich habe dich belogen, Elizabeth.“ Unruhig rutschte er auf seinem Stuhl herum, sah sie dabei jedoch nicht an. Während er den Blick auf den Tisch heftete, auf dem immer noch die Speisen standen, die sie nicht gegessen hatten, fuhr er fort: „Ich hatte all das hier vorbereitet, um dich zu verzaubern, aber ich hatte heute Abend nicht die Absicht, dich in mein Bett zu holen.“
Elizabeth wusste nicht, was sie mit seinen Worten anfangen sollte. „Ich muss gestehen, Mylord, dass ich verwirrt bin. Ich bin eine Hure, wie Ihr wisst, und Ihr habt mich in Eure Kammer eingeladen. Aus welchem anderen Grund solltet Ihr mich denn gerufen haben als dem, eine Frau haben zu wollen?“
„Weil ich deine Gesellschaft wünschte. Weil du mit mir das Mahl teilen und dich mit mir unterhalten solltest.“
Kein Mann hatte sich je ihre Gesellschaft gewünscht. Außer ihrem Gatten, der in den ersten Jahren ihrer Ehe noch so tat, als hätte er ein Interesse an ihr. Später begehrte er immer noch ihren Körper, aber auch nur, weil er sich einen Erben wünschte. Gavin MacLeod war Elizabeth ein Rätsel. Doch dann glaubte sie, verstanden zu haben.
„Ihr seid verheiratet, Mylord?“
„Verheiratet?“ Bei dieser Frage sah er sie überrascht an.
„Aye, verheiratet. Und jetzt habt Ihr Gewissensbisse, weil Ihr mir beigelegen habt? Habt Ihr Eurer Gattin ein Versprechen gegeben und glaubt jetzt, es gebrochen zu haben durch das, was wir taten?“
Wieder war da dieser schmerzliche Ausdruck in seinen Augen, und Elizabeth war überzeugt, dass sie recht hatte. Irgendwie rührte es sie, dass es ihn so sehr bekümmerte, den Schwur gebrochen zu haben, den er seiner Gattin gab. Es war gut zu wissen, dass einige Männer tatsächlich an ihr Ehegelöbnis glaubten. Und dass er den Beischlaf mit ihr, einer Hure, als einen Bruch dieses Gelöbnisses betrachtete. Die meisten Männer taten das nicht.
„Meine Frau ist seit drei Jahren tot. Und ob du es glauben magst oder nicht, niemals während der zwanzig Jahre unserer Ehe brach ich ihr gegenüber mein Treuegelöbnis.“
„Ich wollte nicht Eure Ehre oder das Andenken Eurer Gattin beleidigen, Mylord. Es ist nur so, dass die meisten Männer glauben, das Liebespiel mit einer Hure hätte nichts mit den Versprechen zu tun, die sie gegeben haben.“
Er zog die Brauen zusammen und runzelte angestrengt die Stirn. Und wieder fragte sich Elizabeth, was denn nicht stimmte. Er war ein seltsamer Mann. Keiner der Männer, die sie kannte, glich ihm. Was er jetzt als Erklärung hervorbrachte, bestätigte nur ihre Einschätzung.
„Einen Augenblick, Mädchen. Lass mich noch einmal beginnen. Als Orrick dich mir in der Halle zeigte …“ Er hielt inne und fluchte
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