Historical Weihnachtsband 2010
aufzugeben, wenn ich sie hierbleiben lasse.“ Orrick wurde blass. Selbstmord war die schwerste Sünde, die eine Seele begehen konnte. Allein schon darüber zu sprechen, weckte ein unbehagliches Gefühl.
Gavin überlegte, welche Wahl ihm überhaupt blieb. Er konnte seine Gefühle ignorieren und den törichten Nachforschungen seines Freundes die Schuld zuschieben. Er konnte hierbleiben, Elizabeth besser kennenlernen und herausfinden, ob sie überhaupt irgendetwas für ihn empfand. Er konnte … Abwehrend schüttelte er den Kopf und sah seinen Freund an.
„Als du deinen Plan gefasst hast, wusstest du da, dass ich mich in sie verlieben würde? Oder wolltest du ihr in dieser ruhigen Jahreszeit eine Ruhepause gönnen? Ihr einen alten Narren schicken, der sie nie auf den Rücken legen würde?“
„Es mag dich überraschen, dass es meine Gattin war, die als Erste auf den Gedanken kam, ihr beide könntet gut zusammenpassen.“
„Soll das ein Scherz sein? Eine Heirat zwischen einer englischen Hure und einem schottischen Ausgestoßenen?“ Er knallte den jetzt leeren Becher auf den Tisch, der neben dem Kamin mit dem lodernden Feuer stand, und wandte sich wieder seinem Gastgeber zu. „Zwei Außenseiter, die keinen Platz in dieser Welt haben und auch keinen verdienen.“
Orrick ließ sich mit der Antwort Zeit. Gemächlich schritt er zu einem Sessel, ließ sich darin nieder und trank in aller Ruhe sein Bier. Dann sah er Gavin an.
„Siehst du dich so? Als einen Ausgestoßenen? Dein Clan schätzt deine Dienste und …“
„Pah! Ich bin ein alter Mann, der zu nichts mehr nütze ist. Meine Söhne kämpfen an meiner Stelle. Mein Neffe regiert, wie es ihm gefällt. Für mich bleibt da nichts mehr übrig.“ Gavin fühlte, wie ihm die Galle hochkam. So hatte er schon früher gedacht, doch jetzt hatte er es zum ersten Mal laut ausgesprochen.
„Aha, dann soll ich wohl schon dein Leichentuch schneidern lassen? Willst du dich gleich hinlegen und sterben, oder wartest du noch ein wenig, bis jemand dich aus deinem Unglück herausholt?“, fragte Orrick mit beißendem Sarkasmus. „Du bist schlimmer als eine Frau, jammerst über das, was man nicht ändern kann. Kein einziges Mal während ihres vom Schicksal bestimmten, grausamen Lebens habe ich Elizabeth so klagen hören wie dich jetzt.“
Gavin packte Orrick an der Tunika, zerrte ihn auf die Füße und drängte ihn gegen die Wand. Er stieß ihn mit dem Kopf dagegen und knurrte mit zusammengebissenen Zähnen: „Wie kannst du es wagen, so etwas zu mir zu sagen? Ich hätte heute kein Mitleid mit dir haben und dich in den Dreck werfen sollen, wie du es verdienst.“ Er versetzte Orrick noch einen Stoß. Dann ließ er ihn los, ging und schenkte sich einen Becher Bier ein. Er trank ihn in einem Zug aus. Orrick blieb auf der anderen Seite des Raumes stehen.
„Es ist überall bekannt, dass im Clan MacLeod keine Entscheidung getroffen wird, ohne dass man deine Meinung dazu hört. Dein Neffe rechtfertigt dein Vertrauen, indem er die Ländereien, über die er wacht, vergrößert und beschützt. Zerbrich dir nicht den Kopf darüber, was du für deine Leute wert bist.“
Als Gavin widersprechen wollte, hob Orrick die Hand und schnitt ihm das Wort ab. „Und wenn du Zweifel hegst, ob es dort noch einen Platz für dich gibt, hier bist du immer willkommen. Ich würde mich freuen, wenn du mir hilfst, für die Sicherheit meiner Ländereien zu sorgen, und dass mein Besitz erfolgreich weitergeführt wird.“
Zu bleiben wäre wirklich eine Möglichkeit.
Seit Jahren hatten er und Orrick mit Erfolg bei zahlreichen Gelegenheiten zusammengearbeitet. Öfter als er zählen konnte, hatten sie einander den Rücken geschützt. Aber was würde aus Elizabeth? Er wollte sie. Er wollte sie so sehr. Gavin sehnte sich mit einem Hunger nach ihr, der ihn erschreckte.
„Und Elizabeth?“, fragte er. „Was wird aus ihr, wenn ich hierbleibe?“
„Ich denke daran, sie zu Margarets Nichte nach Carlisle zu schicken.“
„Zu der Nonne?“, fragte Gavin. Der Gedanke erstaunte ihn. „Du willst, dass sie ins Kloster geht?“
„Die Gilbertinen unterhalten neben ihrer religiösen Gemeinschaft auch eine Gemeinschaft von Laien. Vielleicht würde Elizabeth dort etwas Frieden finden.“
Orricks Vorschlag war gut. Das Kloster bot Frauen Schutz, für die in dieser Welt kein Platz war. Elizabeth müsste ihren Lebensunterhalt nicht mehr auf dem Rücken verdienen.
„Ich würde sie heiraten, wenn sie mich denn
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