Historical Weihnachtsband 2010
auskennt. Wenn nicht Rosemary, dann ihr Onkel Percy. Er ist ein studierter Mann und war viel in fernen Ländern unterwegs, in denen solche Gewürze wachsen.“
Jasper half, die Papiere zu bündeln und in einen ledernen Beutel zu stecken. „Nehmt ein paar Männer mit. Wenn man uns beobachtet, könnten die Räuber Euch abpassen und die einzigen Aufzeichnungen stehlen, die wir haben.“
William, der gewohnt war, allein unterwegs zu sein, stimmte ihm widerstrebend zu. Ohne Zwischenfall kamen sie wenig später zu Hause an. „Ist Mistress Rosemary noch im Bett?“, fragte er, als Anna ihm die Tür öffnete.
„Nein, sie war gar nicht drin. Sie verließ das Haus direkt nach Euch.“
„Sie hat das Haus verlassen?“, brüllte William. „Wohin ist sie gegangen?“
„Das weiß ich nicht“, erwiderte Anna und zog die Nase kraus.
„Wieso hast du sie gehen lassen?“, verlangte er zu wissen und war kurz davor, das Mädchen zu schütteln.
„Wieso hätte ich sie aufhalten sollen?“
„Weil die Straßen nicht sicher sind. Jesus!“ Er warf den Beutel mit den Papieren auf den Boden. „Vor ein paar Stunden wurde ihre Apotheke überfallen und geplündert. Gott weiß, was für Leid ihr zustoßen könnte.“ Außer sich vor Angst drehte William sich zu den Wachen um, die ihn begleitet hatten. „Geht zum Lagerhaus zurück. Sammelt so viele Männer, wie ihr findet. Dann kommt hierher und schwärmt aus. Durchsucht jede Straße, jede Gasse und jedes Gebäude.“
„In welcher Richtung?“, wagte der kühnste der Männer zu fragen. „In welche Richtung kann sie gegangen sein?“
Mit zitternder Hand strich William sich das Haar aus dem Gesicht. „Vielleicht zu ihrer Apotheke. Ich selbst werde jetzt dorthin gehen.“
6. KAPITEL
Lady Chandre saß an einem langen Tisch und betrachtete sich in dem größten, auf Hochglanz polierten Spiegel, den Rosemary je gesehen hatte. Nachdem sie Rosemary mit Fragen über die Creme geplagt hatte, die ihr eine jugendliche Haut verschaffen sollte, befahl sie ihrer Kammerfrau, einer ebenso hochmütigen, wenn auch schrecklich unansehnlichen Französin, die feine Mehlschicht von ihrem Gesicht zu entfernen, die ihr die modische Blässe verlieh. Unter der weißen Schicht war die Haut der Frau fleckig und von feinen Falten durchzogen.
„Die Creme fühlt sich kühl an und beruhigt“, murmelte Lady Chandre.
„Ja.“ Rosemary stand in respektvoller Entfernung und wartete auf das Urteil, das für ihre Familie die Rettung bedeuten konnte.
Stirnrunzelnd blickte Lady Chandre auf Rosemarys Spiegelbild. „Sollte sie nicht brennen und jucken, da sie doch das runzlige Fleisch wegätzt?“
„Nein“, sagte Rosemary rasch. Jetzt verstand sie, wo die roten, rauen Flecken auf Myladys Gesicht herrührten. Sie besaß aber eine zu große Erfahrung mit empfindlichen Seelen, um es laut zu sagen. „Die Lotion, die ich manchmal benutze, um die Haut zu reinigen, prickelt ein wenig. Doch die Haut ist empfindlich. Beißende Tinkturen fügen ihr rasch Schaden zu.“
Lady Chandre berührte einen besonders wund ausschauenden Fleck unter ihrem rechten Ohr. „Ich bin nicht auf Schmerzen versessen, aber wenigstens weiß ich dann, dass die Tinktur etwas bewirkt.“
„Etwas Zerstörerisches“, wagte Rosemary zu bemerken. „Es ist so“, begann sie ihre Erklärung, die sich auf die alten Griechen berief und auf Onkel Percy, der die griechischen Schriftrollen studierte. „Der Grund, warum die Haut mit der Zeit faltig wird, ist, dass sie austrocknet.“ Wie altes Leder, welchem die Haut der feinen Dame unter all der teuren Schminke sicher ähnelte. „Die Wirksamkeit meiner Creme liegt in der Fähigkeit, die Haut weich zu machen, indem sie ihr die jugendliche Feuchtigkeit zurückgibt und bewahrt.“
Wegen des Gänseschmalzes konnte man die Creme gut auftragen. Die Myrrhe sorgte für den Schutz. Die ungewohnte Fähigkeit des seltenen Harzes, die Haut zu schützen, war schon von den ägyptischen Einbalsamierern erkannt worden, die so ihre toten Herrscher für die Nachwelt erhielten. Onkel Percy hatte ironisch gelächelt, als er es ihr vorlas. „Vielleicht sollten wir auch die alten Vetteln mit unserer Creme einschmieren und wie Mumien einwickeln.“
Rosemary fand, dass man diesen Vorschlag den alternden Frauen, die ewige Jugend suchten, besser nicht machen sollte.
„Ich sehe keinerlei Unterschied“, murmelte Lady Chandre verdrießlich, während sie sich ganz nahe zum Spiegel beugte.
„Sie braucht einige
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