Historical Weihnachtsband 2010
Tage, um zu wirken. Bitte, behaltet den Krug, den ich Euch zur Probe mitgebracht habe. Solltet Ihr nicht vollständig zufrieden sein, braucht Ihr mich nicht zu bezahlen. Wenn Ihr es seid und gerne mehr davon wollt …“
„Mylady?“ Ein unscheinbares, in Lady Chandres Farben Blau und Silber gekleidetes Mädchen war lautlos in den Raum getreten und stand nun einige Schritte entfernt. Aufgeregt rang sie die Hände.
„Was gibt es, Betty?“, fauchte die Hausherrin sie an. „Du weißt doch, dass man mich nie stören darf, wenn ich mich mit Angelegenheiten meiner Gesundheit beschäftige.“
Gesundheit . Rosemary unterdrückte ein Lächeln.
„Ich … es tut mir leid, Mylady“, stammelte die unglückliche Betty. „Aber Conte Baldassare ist hier und bittet, Euch zu sehen und …“
„Baldassare? Hier?“ Lady Chandre schnappte nach Luft. „Du lieber Gott, er darf Euch hier nicht finden. Und das da auch nicht.“ Ihre beringten Finger flatterten über Rosemarys einfachen, irdenen Salbentopf, der zwischen der Unmenge eleganter Tiegel, die sich auf ihrem Tisch zusammendrängten, auffiel wie ein Frosch unter Schmetterlingen. „Er wird äußerst aufgebracht sein, wenn er erfährt, dass ich mit seinen Heilmitteln nicht mehr zufrieden bin und woanders Hilfe suche.“
„Ich könnte es mitnehmen und später noch einmal wiederkommen“, sagte Rosemary. All ihre strahlenden Träume verblassten.
„Nein. Ich bin an Eurer Creme interessiert und möchte sie ausprobieren, wie Ihr vorgeschlagen habt. Aber er muss sie nicht sehen.“ Lady Chandre schob den hässlichen Topf hinter eine Reihe hübscher Krüge aus Seifenstein. „Betty! Geleite Mistress Rosemary die Hintertreppe hinunter und durch die Küche hinaus. Dann führe den Conte herauf. Ich werde ihn in meiner Kemenate empfangen.“
Sie entließ die beiden und wandte sich dem Mädchen zu, das sich die ganze Zeit in einer Ecke des Raumes aufgehalten hatte. „Hole meine grüne Cotehardie aus Samt. Und das Halsband mit den Smaragden.“
„Kommt mit mir, Mistress.“ Betty ergriff Rosemarys Ärmel und zog sie zur Tür.
„Betty!“, rief Lady Chandre und hielt sie auf. „Sobald der Conte die Treppe hinauf ist, bringst du uns Erfrischungen. Gewürzten Wein und einige von diesen kleinen Mohnküchlein, die er so mag.“
Betty machte rasch einen Knicks und schob Rosemary zur Tür hinaus.
„Der Conte ist offensichtlich ein geschätzter Gast“, murmelte Rosemary, während Betty sie ein enges Treppenhaus hinuntertrieb und durch Korridore scheuchte, deren Wände mit feinen Wandbehängen und deren Boden mit teuren Teppichen bedeckt waren. Beweise des Reichtums von Lady Chandre.
„Oh ja, Mylady hält große Stücke auf ihn. Aber mir macht er schon Angst, wenn ich ihn nur anschaue.“ Sie schauderte. „Diese Augen, wisst Ihr! Dunkel und böse sind die.“
„Aye“, murmelte Rosemary. Sie verstand genau, was das Mädchen meinte.
Betty blieb in der offenen Küchentür stehen. „Die Leute sagen, er stünde mit dem Teufel im Bunde. Man munkelt, seine Tinkturen seien aus den Knochen von toten Menschen gemacht.“
„Hm“, meinte Rosemary vage. Es war das Los derer, die zu heilen versuchten, dass die unwissenden, misstrauischen Menschen, denen sie zu helfen trachteten, sie am Ende der Hexerei anklagten. Doch seine Tinkturen schienen tatsächlich ein wenig ätzend zu sein.
„Ich bin mit einem Mädchen befreundet, das zwei Straßen von seinem Haus entfernt wohnt“, flüsterte Betty. „Sie sagt, dass mitten in der Nacht Leute kommen und gehen.“
Vielleicht waren das Kunden, die nicht gerne gesehen werden wollten. „Deine Freundin ist wohl eine Klatsch…“ Jäh stockte Rosemary der Atem, als das Objekt ihres Gesprächs hinter Betty in der Tür erschien, einen halb aufgegessenen Mohnkuchen in der Hand.
„Mon Dieu, wer ist denn das?“ Der Conte betrachtete Rosemary von oben bis unten, als wollte er sie ebenfalls verschlingen. „Du stellst ja direkt einen Fortschritt dar, wenn man bedenkt, welche Schlampen Lady Chandre sonst in Stellung nimmt“, sagte er in seinem Englisch mit dem starken italienischen Akzent. „Warte, ich habe dich doch schon einmal gesehen?“ Er ließ den Kuchen fallen und strich ihr mit seinen nach Schwefel stinkenden Fingern über die Wange. „Deine Haut ist so weich wie die eines Kindes.“ Er fasste sie am Kinn und drehte ihr Gesicht ins Licht einer Kerze, die in einem Halter an der Wand steckte. „Was ist dein Geheimnis?“
Geheimnis.
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