Historical Weihnachtsband 2010
Pferd gestürzt war und seine Witwe mittellos zurückgelassen hatte, konnte Margaret seinen Sprüchen nichts abgewinnen. Violet zitierte ihn jedoch bei jeder Gelegenheit, und Margaret liebte die Frau, die sie großgezogen hatte, so sehr, dass sie ihre Meinung über Huthburt lieber für sich behielt.
Sie durchquerte den Raum und kniete sich neben sie. „Liebste, süßeste Violet, sag, dass du mir helfen wirst. Bitte!“
Die ältere Frau stieß einen Seufzer aus und sah auf Margaret hinunter.
„Was soll ich denn tun?“
„Hilf mir heute Nacht dabei, das Landgut zu verlassen, ohne dass mein Cousin es merkt. Und sag mir, wie ich Sir Christopher am besten verführen kann, damit er mir beiliegt.“
Violet streckte die Hand aus und strich liebevoll mit dem Finger über die Wange ihrer Schutzbefohlenen. „Hätte Euer Gatte doch nur ein einziges Mal einen Blick auf Euer Gesicht geworfen, seitdem Ihr zur Frau erblüht seid, müsste er nicht verführt werden.“
„Als mein Gatte mich das letzte Mal sah, war mein Gesicht über und über mit ekligen Pusteln bedeckt“, erwiderte Margaret und zog eine Grimasse. „Heute würde er mich noch nicht einmal erkennen, wenn er mir auf der Straße begegnete.“
„Nun gut“, willigte die ältere Frau zögernd ein. „Ich will Euch helfen. Am besten denkt Ihr an das, was Huthburt immer sagte.“
Margaret unterdrückte ein Stöhnen. „Und das war?“
„Gleich und gleich gesellt sich gern, Mädchen. Gleich und gleich gesellt sich gern.“
Bevor Margaret dagegen protestieren konnte, mit diesem unverschämten Kommandanten eines Freibeuterschiffs, den ihr Vater für sie ausgesucht hatte, auf eine Stufe gestellt zu werden, hievte Violet ihre wohlgepolsterte Gestalt aus dem Sessel.
„Besitzt Ihr noch dieses kleine Kästchen? Sir Christopher überreichte es Euch als Teil seiner Morgengabe. Ich meine jenes mit dem arabischen Parfümöl?“
Margaret zögerte. Sie gestand nur ungern ein, dass sie das kleine Kästchen aus Sandelholz in ihre Kleidertruhe gesteckt hatte. Sie wusste gar nicht, warum sie dieses alberne Zeug überhaupt behalten hatte. Bestimmt nicht aus Zuneigung zu dem Mann, mit dem sie verheiratet worden war.
„Kommt, Kind, Ihr müsst Euch nach der Decke strecken, wie Huthburt sagen würde. Um Euren Seekapitän einzufangen, benötigt Ihr dieses Parfüm und noch etliches mehr.“
„Ich will ihn mir nicht einfangen! Ich will nur …“ Sie machte ein entschlossenes Gesicht. „Ich will nur, dass er mir beiliegt.“
„Und wenn er Euch beigelegen hat?“, fragte Violet. „Was dann? Wie wollt Ihr erklären, was Ihr getan habt?“
Margaret wedelte verächtlich mit der Hand. „Mit der nächsten Flut wird er für was weiß ich wie viele Jahre wieder fort sein. Mit Erklärungen werde ich mich befassen, wenn er zurückkehrt.“
Kopfschüttelnd folgte Violet der jungen Frau zu einer massiven Kleidertruhe, die an einer Wand stand. Kurz darauf nahm sie das Sandelholzkästchen aus der Hand ihrer Schutzbefohlenen entgegen und öffnete den Deckel. Im Innern ruhte auf rotem Samt ein Flakon aus blauem, venezianischem Glas. Als Violet seinen Stöpsel entfernte, gab es einen leisen Ton wie von einem Silberglöckchen von sich, und ein schwerer, exotischer Duft entströmte dem kleinen Fläschchen.
Moschus. Weihrauch. Ein Hauch von Jasmin. Eine höchst aufreizende Mischung. Entschlossen unterdrückte Violet jeden Zweifel an ihrer Handlung und fing an, jedes sichtbare Fleckchen Haut ihrer Schutzbefohlenen mit dem duftenden Öl einzureiben.
„Halt!“ Margaret wedelte nach Luft schnappend mit der Hand vor ihrer Nase hin und her. „Das ist zu viel!“
„Zu viel ist nie genug, wenn es darum geht, einen Ehemann zu verführen. Das werdet Ihr noch früh genug lernen, Kind.“
Die Nacht war schon fast vergangen, als Kit die enge, finstere Treppe zum zweiten Stock des Wirtshauses Bird and Crown hinaufstieg.
Als die Stiege eine scharfe Kehre machte, schlug er mit der Stirn an einem niedrigen Balken an. Herzhaft fluchend duckte er sich und stieg weiter hinauf, allerdings nicht ganz so sicheren und eleganten Schrittes wie sonst. Er war müde, hundemüde, und sein Kopf war benebelt von den unzähligen Humpen Bier, die in dieser Nacht durch seine Kehle geflossen waren. Erfolglos versuchte er seine Sinne zu klären, indem er immer wieder den Kopf schüttelte.
Großer Gott, sich auf eine Seefahrt mit Sir Francis Drake vorzubereiten war Segen und Fluch zugleich! Dieser Mann besaß das
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