Historical Weihnachtsband 2010
null und nichtig werden. Und Weihnachten war in weniger als einer Woche. Margaret hatte es immer als einen grausamen Schicksalsschlag empfunden, dass sie ausgerechnet in der Jahreszeit geheiratet hatte, die doch eigentlich die fröhlichste sein sollte. Sie selbst war aber alles andere als eine fröhliche Braut gewesen. Krank vor Angst und immer noch um ihren Vater trauernd, den sie damals erst einen Monat zuvor verloren hatte, hatte sie während der Zeremonie nur geschluchzt und geschnieft.
Fast die gesamten sechs Jahre lang, die jenem traurigen Tag gefolgt waren, hatte Margret sich gewünscht, dieser entsetzlichen Ehe ein Ende machen zu können und sie dann zu vergessen. Vor Kurzem aber musste sie gezwungenermaßen einsehen, dass eine noch so verabscheuungswürdige Ehe mit Christopher Walsh immer noch besser war, als die grauenvolle Alternative, die sich ihr bot.
„Er ist im Bird and Crown “, fuhr sie jetzt fort, wandte sich ab und ging wieder erregt in dem Gemach auf und ab. „Alle sind sie dort, sogar Drake höchstpersönlich. Ich habe beschlossen, in dieses Wirtshaus zu gehen und meinen Gatten dazu zu bringen, seine Pflichten zu erfüllen.“
„Lady Margaret!“ Violets Doppelkinne bebten, als sie jetzt heftig den sorgfältig frisierten Kopf schüttelte. „Ihr sprecht wie die Unschuld, die Ihr noch seid! Wäret Ihr eine richtige Frau, wüsstet Ihr, dass man einen Mann nicht zu dieser speziellen Pflicht zwingen kann, Ehemann hin oder her.“
„Zwingen? Ha!“
Die Hände in die Hüften gestemmt fauchte Margaret ihre Gesellschafterin an. Die moosgrünen Augen, ein Erbe ihrer Mutter, die sie nie gekannt hatte, blickten voller Verachtung.
„Nach allem, was ich während der letzten Jahre über Kit Walsh gehört habe, bedarf es kaum der Ermunterung, damit er mit irgendeiner Frau – außer seiner eigenen natürlich – ins Bett geht. Selbst die Königin nennt ihn den größten Spitzbuben unter ihren Freibeutern, und das will etwas heißen!“
„Ihr werdet doch wohl nicht all die Geschichten glauben, die man sich bei Hofe über ihn erzählt“, protestierte Violet. Rasch warf sie einen Blick zur Tür aus dicken Eichenbohlen und senkte unwillkürlich die Stimme. „Insbesondere, wenn sie von Eurem Cousin kommen. Auch wenn Sir Robert noch so sehr betont, dass er Sir Christopher wegen seiner Kühnheit auf den Weltmeeren bewundert, so macht er doch kein Hehl daraus, wie gerne er Euch von Eurem Ehegelöbnis entbunden sehen würde.“
„Ja, das weiß ich.“
Eine inzwischen nur allzu vertraute Angst ließ Margaret die Brust eng werden. Es stimmte schon, Robert Clive wollte sie gerne von ihrem Gatten befreit sehen, aber nur, um sie sofort einem anderen zur Frau zu geben.
Sich selbst nämlich.
Sollte ihre Ehe mit Kit Walsh annulliert werden, so hatte er bereits vorsorglich bei der Königin um ihre Hand angehalten. Zu Margarets unendlichem Bedauern waren die verwandtschaftlichen Bande zwischen ihnen nicht so eng, dass sie eine Heirat verhindert hätten.
Er begehrte sie. Das hatte er ihr in den vergangenen Wochen deutlich genug gezeigt. Noch mehr aber begehrte er ihren Besitz.
Margaret lief ein Schauer über den Rücken. Entschlossen schüttelte sie das unangenehme Gefühl ab. Weder ihre Hand noch ihre Ländereien würde Robert Clive erhalten, schwor sie sich wild entschlossen. Jedenfalls nicht, wenn sie in dieser Angelegenheit noch ein Wörtchen mitzureden hatte. Wegen ihrer Jugend und aus Kummer über den Tod ihres Vaters hatte sie den Gatten akzeptiert, den er für sie ausgesucht hatte. Dem Nächsten würde sie aber nicht aus Angst das Jawort geben. Jetzt, wo Elizabeth auf Englands Thron saß, konnten Frauen nicht länger gegen ihren Willen zu einer Heirat gezwungen werden wie in früheren Zeiten.
Die Alternativen zu einer Ehe erschienen Margaret aber auch nicht gerade verlockend. Witwen und unverheiratete Erbinnen konnten unter die Vormundschaft der Krone gestellt werden, was auch häufig vorkam. Trotz des Wohlwollens, das Elizabeth ihren Untertanen entgegenbrachte, die ihr in ihrem neunundzwanzigsten Regierungsjahr ebenfalls herzlich zugetan waren, zögerte die Königin nicht, von dieser Vormundschaft Gebrauch zu machen, wenn sie es für angebracht hielt.
Zurzeit rückte ein Krieg mit Spanien täglich drohend näher. Die Königin musste Armeen aufstellen und Schiffe ausrüsten. Wenn nun der sorgengeplagten Regentin die Kontrolle über Margarets Besitz zufiel, konnten ihre Minister die Einkünfte
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