Historical Weihnachtsband 2010
Ehemänner wie auch die Kapitäne betrogen, die bei ihnen angestellt waren. Drake selbst hatte sich solch eine ehrenwerte Gattin als Geliebte gehalten, bevor er ein zweites Mal heiratete.
„Was wollt Ihr dann von mir?“, fragte Kit gedehnt.
„Nur …“ Wieder leckte sie sich die Lippen. „Nur das Vergnügen, im Bett Eure Gesellschaft zu genießen.“
„Und woher wollt Ihr wissen, dass ich Euch Vergnügen bereiten werde?“ Lässig spielte er mit dem Dolch und ließ ihn dabei durch die Luft wirbeln. Immer wieder fing er ihn an dem juwelenbesetzten Griff auf. „Vielleicht gehöre ich zu jenen, die sich am Schmerz erfreuen?“
Erschrocken wich die Frau bis zum massiven Kopfteil des Himmelbetts zurück. „Gehört Ihr zu denen?“, flüsterte sie.
„Verlasst Ihr mein Bett, wenn ich es bejahe?“
Ein Schauder lief über die glatte Haut ihrer Schultern.
„Nein.“
Großer Gott, diese Frau war völlig verzweifelt! Kit trat einen Schritt näher und studierte ihr Gesicht. Er sah die Angst in den großen, dunklen Augen. Aber er sah auch eine wilde Entschlossenheit. Gegen seinen Willen verspürte er Mitleid mit dieser Frau, die, warum auch immer, gezwungen war, sich ihm hinzugeben.
Er wusste, was Verzweiflung war. Während seiner Kindheit hatte er sie oft genug verspürt. Als Freisasse war sein Vater einer von König Henrys Bogenschützen gewesen und in Flandern kämpfend für ihn gestorben. Bevor Kit noch seinen sechsten Sommer erlebt hatte, musste er seine Mutter, seinen Bruder und seine beiden Schwestern begraben. Allein und halb verhungert hatte er sich auf das nächste Schiff geschlichen, das an den Docks festmachte.
Er fand bald heraus, dass das Leben eines Schiffsjungen nichts für Schwächlinge war. Um das Segeln und den Umgang mit den Schleusen der Themse zu lernen, ertrug er bereitwillig Hiebe und Schläge. Tatsächlich verließ er das höllische Schiff als Kapitän von Sir Francis Drake. Seitdem war Kit oft mit diesem kühnen Seemann gesegelt, hatte die Küste der spanischen Kolonien überfallen und ausgeplündert.
Und er hatte sich als ebenso kühn wie der große Kapitän erwiesen und sich so sein eigenes Schiff wie auch das Recht erworben, ein „Sir“ vor seinem Namen zu führen. Zudem hatte er die Gunst der Königin gewonnen, was ihm wiederum seltsame Frauen in sein Bett brachte, wie man sah.
Seltsame, verzweifelte Frauen.
„Ihr könnt beruhigt sein“, brummte er. „Ich genieße meine Freuden, wie sie mir geboten werden.“
Gelassen postierte er seinen Dolch in Reichweite und schnallte das Rapier ab. Dann löste er seine gestärkte Halskrause. Die golddurchwirkten Schnüre ließen sich leicht aufknüpfen.
Margaret beobachtete, wie er die Halskrause abnahm. Sie wusste nicht, ob sie erleichtert oder bestürzt sein sollte, dass er so schnell nachgegeben hatte. Sollte sie es tun? Großer Gott, sollte sie es wirklich tun?
Im Wirrwarr ihrer Gefühle meldete sich auch leise eine nagende Enttäuschung. Wollte dieser Mann ihr denn gar keine weiteren Fragen stellen? Stieg ihr Gatte mit so vielen Frauen ins Bett, dass er noch nicht einmal ihre Namen wissen wollte? Sie jedenfalls hatte einen parat, sollte er sie fragen.
Aber er tat es nicht, dieser Schurke! Er warf einfach nur seine Halskrause beiseite und schnürte sein reich besticktes, schwarzes Samtwams auf. Während er es sich über den Kopf zog, kämpfte Margaret mit ihrer wachsenden Empörung. Sie hatte nicht erwartet, dass er sie erkennen würde. Noch, wenn man seinen Ruf bedachte, dass er sie fortschickte. Trotzdem verletzte es ihren Stolz, dass er einer Fremden beiliegen wollte, wo doch seine Gattin keine drei Meilen entfernt wohnte.
Aber als er sich ihr wieder zuwandte, vergaß sie ihren beleidigten Stolz und ihre Entrüstung und beinahe sogar ihre Entschlossenheit.
Bei allen Heiligen im Himmel, besaß sein Wams wirklich keine Polster? Keine Wattierungen aus Rosshaar, keine Fischbeinstangen, um die Figur zu modellieren? Hatte ihr Gatte tatsächlich so breite Schultern und eine so muskulöse Brust?
Und er war so groß! Viel größer als in ihrer Erinnerung. Und dabei war er in ihren Mädchenerinnerungen schon ein wahrer Riese gewesen. In dem weißen Batisthemd und den venezianischen Kniehosen, welche in den letzten Jahren in Mode gekommen waren, erschien er ihr von einer noch bedrohlicheren Größe.
An den goldenen Ring in seinem linken Ohr konnte sie sich erinnern und auch an das wie aus Sonnenstrahlen gesponnene Gold seines
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