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Hitlers Berlin

Hitlers Berlin

Titel: Hitlers Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Felix Kellerhoff
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Scheunenviertel aufgegriffen hatten. Überraschenderweise ging die Berliner Polizei in einzelnen Fällen gegen die Gewaltorgien der SA vor – allerdings nur, wenn es die braunen Schläger selbst dem preußischen Innenminister Göring zu weit trieben. So verhinderte die Polizei am 3. März 1933 eine Gefange nenerschießung in der Kneipe Drechsler in der Spandauer Wilhelmstraße 20, kurz darauf kam es in der Friedrichstraße 234 in Kreuzberg zur Befreiung von Gefangenen und am 29. März sogar zur Umstellung der Berliner SA-Führung in der Hedemannstraße 31 (Kreuzberg). Dorthin hatten SA-Hilfspolizisten einige Menschen gebracht, die sie vor der Berliner Börse aufgegriffen hatten. Göring fürchtete Proteste aus Wirtschaftskreisen. Von diesen wenigen Fällen abgesehen, übten die SAMänner ihren Terror jedoch völlig ungehindert aus. 8
    Hitler selbst war in den Wochen der eskalierenden Gewalt auf Wahlkampftour. Zwischen dem 5.Februar und dem 4. März 1933 hielt er öffentliche Reden in Stuttgart, Leipzig, Dortmund, Köln, Nürnberg, Breslau, Hamburg und Königsberg, außerdem jeweils dreimal in München und Berlin. Einige dieser Reden wurden im Reichsrundfunk übertragen, der inzwischen gänzlich »auf Linie« gebracht worden war. Weitere Auftritte hatte der Reichskanzler bei offiziellen Terminen wie der Eröffnung der Automesse in Berlin; in der Reichskanzlei empfing er Pressevertreter aus dem In- und Ausland. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits aus dem gegenüberliegenden Hotel Kaiserhof in eine vorläufige Dienstwohnung im Amtsgebäude der Reichskanzlei Wilhelmstraße 78 umgezogen; in der eigentlichen Kanzlerwohnung im Reichskanzlerpalais Wilhelmstraße 77 residierte wegen der Renovierung des Präsidentenpalais in der Wilhelmstraße 73 Hindenburg.
    Trotz der brutalen Behinderung anderer Parteien und des einseitigen Einsatzes staatlicher Machtmittel zugunsten der Regierungsfraktionen brachte die Reichstagswahl am 5. März 1933 nicht das erwünschte Ergebnis: Die NSDAP erhielt reichsweit nur 43,9 Prozent der Stimmen und musste sich weiterhin auf ihre reaktionären Partner (acht Prozent) stützten. Gleichwohl rief Hitler nun die »nationale« oder auch »nationalsozialistische Revolution« aus, nachdem er bereits unmittelbar nach seiner Ernennung zum Reichskanzler die »nationale Erhebung« verkündet hatte. Die Sitze der KPD wurden auf typisch scheinlegale Art eingezogen: Zunächst wurden alle kommunistischen Abgeordneten entgegen der ihnen zustehenden Immunität verhaftet, dann setzten NSDAP und DNVP per Geschäftsordnungsantrag durch, dass unentschuldigt abwesende Mandatsträger ausgeschlossen werden konnten. Weil nun auch das katholische Zentrum und die zu Splitterparteien herabgesunkenen liberalen Gruppen einknickten, kam am 23. März in der eilig zum Reichstagstagungsort umgebauten Krolloper am Königsplatz gegenüber dem ausgebrannten Wallot-Bau eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit für das »Ermächtigungsgesetz« (offiziell »Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Staat«) zustande. Laut den nur fünf Paragraphen durfte die Reichsregierung fortan Gesetze beschließen, auch wenn sie »von der Reichsverfassung abweichen«. Das reduzierte die Volksvertretung zu eben jener »Schwatzbude«, als die sie Hitler und seine Anhänger stets bezeichnet hatten. 9
    Währenddessen wüteten in Berlin, Preußen und auch in den anderen Ländern des Reiches weiter die SA-Schläger. Neben der Verfolgung der Arbeiterparteien drängten nun die primitiven Judenhasser um den fränkischen Gauleiter Julius Streicher zum Handeln; Goebbels als ebenso radikaler wie intelligenter Antisemit spielte dabei ebenfalls eine führende Rolle. Für den 1.April setzten diese Kräfte bei Hitler eine reichsweite Aktion »zur Abwehr der jüdischen Boykott- und Greuelhetze« durch. Hintergrund waren Aufrufe in internationalen Zeitungen, deutsche Produkte aus Protest gegen Übergriffe auf Juden nicht mehr zu kaufen – eine ausschließlich rhetorische Forderung, hinter der keine einzige auswärtige Regierung stand. Ein Schwerpunkt sollte Berlin sein, mit 160 564 Juden 1933 die mit Abstand größte jüdische Gemeinde in Deutschland; von den insgesamt 4,242 Millionen Berlinern bekannten sich 3,78 Prozent zum Judentum. Ab 1.April zehn Uhr morgens sollten SA- und SS-Leute alle jüdischen Geschäfte sowie Praxen in Deutschland bis auf weiteres blockieren. Plakate mit der Aufforderung »Deutsche! Wehrt Euch! Kauft nicht bei Juden!« wurden

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