Hitlers Berlin
kommunalen Verwaltung aus. Oberbürgermeister Heinrich Sahm und der eigentlich starke Mann Berlins, der ehemalige Angr iff -Chefredakteur und nun als »Staatskommissar« mit besonderen Vollmachten amtierende Nationalsozialist Julius Lippert, hatten um eine Entscheidung über den geplanten Nord-Süd-Tunnel zwischen Potsdamer Platz und Stettiner Bahnhof (heute Nordbahnhof) gebeten. Hitler genehmigte am 19. September den Kompromissvorschlag, der die Linienführung über den Bahnhof Friedrichstraße und die Station Unter den Linden östlich des Brandenburger Tors sowie unter der Hermann-Göring-Straße (heute Ebertstraße) vorsah. »In Bezug auf den gegenwärtigen Zustand und die weitere Entwicklung Berlins«, heißt es im Protokoll, »führte der Reichskanzler aus: Berlin ist zur Zeit eine systemlose Zusammenfassung oder eine systemlose Aneinanderreihung von Wohn- und Geschäftshäusern. Die einzigen monumentalen Anlagen sind die Linden, das Schloß und ihre unmittelbare Umgebung. (…) Berlin als Reichshauptstadt eines 65 Millionen-Volkes muß städtebaulich und kulturell auf solche Höhe gebracht werden, daß es mit allen Hauptstädten der Welt konkurrieren kann. Es muß soweit gefördert werden, daß niemals ein Zweifel auftauchen kann, daß es auch kulturell die Hauptstadt des Deutschen Reiches ist und jeden Wettbewerb mit anderen Städten, z. B. London, Paris und Wien, aufnehmen kann.« Hitler versprach, dafür jährlich 40 Millionen Reichsmark bereitstellen zu lassen – eine beträchtliche Summe, die nach heutigem Geldwert etwa 240 Millionen Euro entspricht. Darüber hinaus muss bedacht werden, dass die Arbeitskosten, heute der größte Posten jeder Baumaßnahme, seinerzeit deutlich geringer waren: Der Wochenlohn eines Arbeiters betrug in den dreißiger Jahren 19 bis 28 Reichsmark brutto bei 47 Stunden Arbeitszeit. Außerdem konnten gerade die Lohnkosten bei arbeitsintensiven Erdbewegungen durch Einsätze des Reichsarbeitsdienstes und »Arbeitsspenden« wie beim Bau des Olympiastadions weiter gesenkt werden. Details zur Umgestaltung der Stadt wollte der Reichskanzler auf einer weiteren Sitzung mit den Vertretern Berlins mitteilen. Am 5. Dezember 1933 standen die wesentlichen Punkte des Bauprogramms fest, obwohl es das angekündigte Treffen bis dahin nicht gegeben hatte, sondern offenbar nur Hinweise Hitlers bei informellen Begegnungen: Es sollte eine neue Nord-Süd-Achse entstehen, für die das Stadtplanungsamt bereits einen Plan vorbereitet hatte. Der Anhalter und der Potsdamer Bahnhof sollten aufgegeben und an der General-Pape-Straße eine neue Gleisanbindung für die Innenstadt geschaffen werden, die auch den Flughafen Tempelhof einbeziehen würde. Geplant war außerdem eine neue Ost-West-Verbindung vom Alexanderplatz zur Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, und zwar als Verlängerung der Jägerstraße über die Wilhelmstraße hinweg, durch die Ministergärten und den südöstlichen Tiergarten auf die Tiergartenstraße und die Budapester Straße. Eine überraschend abseitige Idee, existierte doch mit dem Straßenzug Kaiserdamm/Charlottenburger Chaussee (heute Straße des 17. Juni)/Unter den Linden bereits eine leicht ausbaubare Ost-WestVerbindung. Zwar war auch Hitler bei der nächsten Besprechung am 29. März 1934 skeptisch gegenüber einem Durchbruch durch die Minis tergärten, aber statt einer Achse durch den Tiergarten regte er nun an, die Leipziger Straße über den Potsdamer Platz hinaus zur Budapester Straße zu verlängern – was das elegante Tiergartenviertel zerschnitten hätte. Sogar eine Untertunnelung der Ministergärten wurde erwogen. Die Pläne für die Nord-Süd-Achse dagegen fanden die Zustimmung des Reichskanzlers, der nun auch ihre beiden wesentlichen Gebäude beschrieb: »einen gewaltigen Triumphbogen für das unbesiegte Heer des Weltkrieges« und eine »ganz große Versammlungshalle von 250 000 Personen Fassungsvermögen«.
Bei einem weiteren Termin, am 5. Juli 1934, stockte Hitler das jährliche Budget auf 60 Millionen Reichsmark auf – und das für zwei Jahrzehnte. Er erwog, die Physikalisch-technische Reichsanstalt nach München verlegen zu lassen, denn, wie das Protokoll zusammenfasste: »Er gäbe Berlin so viele Zuwendungen durch die eingangs besprochenen städtebaulichen Pläne, er legte so viele Behörden, Stäbe, Dienststellen, Ämter hierher, er ließe so viele umfangreiche und bedeutende Bauten in Berlin ausführen, hier sei in repräsentativer Weise der Reichsgedanke
Weitere Kostenlose Bücher