Hitlers Berlin
verkörpert.« Daher wollte Hitler die anderen Städte Deutschlands wenigstens durch wissenschaftliche Institutionen entschädigen. Laut Stenogramm schloss er seine Ausführungen: »Die Vertreter von Berlin müßten zugeben, daß die Reichshauptstadt nicht zu kurz käme.« 12
Während in den folgenden Monaten zahlreiche einzelne, teilweise gewaltige Neubauten begannen oder sogar bereits vollendet wurden, so die Reichsbank am Werderschen Markt (heute Auswärtiges Amt), die Umgestaltung des Molkenmarktes (Mitte), die Oberste Bauleitung der Reichsautobahnen am Kleistpark in Schöneberg (heute Zentrale der BVG) und die Verwaltungsgebäude am Wilmersdorfer Fehrbelliner Platz (heute u.a. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Rathaus Wilmersdorf), kam der Umbau der Berliner Innenstadt nicht einmal ins Stadium konkreter Planung. Laut Protokoll eines weiteren Gesprächs zwischen den Spitzen der Stadtverwaltung und dem Reichskanzler am 28.Juni 1935 wies Lippert unterwürfig auf die Ursache hin: »Die Stadt sei in ihrer Stadtplanung doch abhängig von den großen Ideen, die der Führer für die Neugestaltung Berlins gegeben habe.« Hitler antwortete, »daß er noch nicht den richtigen Architekten dafür« wisse. Und weiter: »Ob [der] Architekt Speer dafür ausreiche, könne er noch nicht sagen.« Im Frühjahr 1936 sagte Hitler zu Speer laut dessen Erinnerung: »Einen Bauauftrag habe ich noch zu vergeben. Den größten von allen«, wurde aber nicht konkreter. Wenige Monate später bekam der gerade 31-jährige Architekt einen ersten Einblick in das Vorhaben: »Erst im Juni [1936] zeigte mir Hitler einen Plan des Berliner Stadtzentrums: ›Ich habe dem Oberbürgermeister lang und ausführlich erklärt, warum diese neue Straße 120 Meter breit sein muß, und nun zeichnet er mir eine von nur 90 Metern.‹« Speer fuhr fort: »Bis zum Sommer 1936 hatte Hitler offenbar die Absicht gehabt, die Berliner Pläne durch die Stadtverwaltung bearbeiten zu lassen. Jetzt ließ er mich kommen und übergab mir kurzerhand und ganz unfeierlich den Auftrag: ›Mit dieser Stadt Berlin [gemeint: Stadtverwaltung] ist nichts anzufangen. Von jetzt an machen Sie den Entwurf. Nehmen Sie diese Zeichnungen mit. Wenn Sie etwas fertig haben, zeigen Sie es mir. Dafür habe ich, wie Sie wissen, immer Zeit.‹« Ob Speer allerdings tatsächlich so überraschend an den größten Auftrag kam, den ein Architekt jemals erhalten hat, ist zu bezweifeln. In Wirklichkeit arbeitete er, der bislang vor allem Bauleitungsaufträge und Propaganda-Inszenierungen für die NSDAP übernommen sowie gerade die Umgestaltung des Nürnberger Parteitagsgeländes begonnen hatte, systematisch darauf hin – unter anderem mit Jubelartikeln über Hitler. So schrieb Speer für ein Zigarettenbild-Album: »Seine großen Bauten, die heute an vielen Orten zu entstehen beginnen, sollen der Wesensausdruck der Bewegung auf Jahrtausende und damit ein Teil der Bewegung selbst sein (…), als Urkunden sowohl des politischen Willens wie des kulturellen Könnens.«
Gerdy Troost, die Witwe von Hitlers früherem Lieblingsarchitekten, soll dem Reichskanzler gegenüber Speer treffend charakterisiert haben: »Als irgend jemand sie eines Tages fragte, was sie von Speer halte, wandte sie sich Hitler zu und sagte, wenn Herr Hitler ihren Mann beauftragt hätte, ein 100 Meter langes Gebäude zu entwerfen, dann hätte Professor Troost darüber nachgedacht und am folgenden Tag gemeldet, das Gebäude könne aus statischen und ästhetischen Gründen nur 96 Meter lang sein.« Gerdy Troost fuhr fort: »Wenn Sie aber zu Speer sagen: ›Ich brauche ein 100 Meter langes Gebäude‹, dann würde der sofort sagen: ›Mein Führer, 200 Meter!‹. Und Sie würden sagen: ›Sie sind mein Mann!‹« Obwohl die Bemerkung ein Affront war, stimmte Hitler in das Gelächter der Anwesenden ein – und intensivierte seine Beziehung zu Speer. Der wusste die Gelegenheit zu nutzen. Er begann mit Planungen, die er umgehend dem Reichsfinanzministerium in Rechnung stellte: »Durch die Entwurfsarbeiten für die Neuplanung Berlins, die ich im Auftrag des Führers in Angriff genommen habe, entstehen in meinem Büro laufende Ausgaben. (…) Die dadurch entstehenden Unkosten, die meine Selbstkosten darstellen, betragen in der nächsten Zeit im Monat etwa 3 000 Reichsmark.« Bei Akademikergehältern zwischen 300 und 400 Reichsmark monatlich wäre davon gewiss genug für Speer selbst geblieben. Doch scheinbar großzügig schlug der
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