Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
einfach nur Pech gehabt hatten – das musste man ihnen der Fairness halber zugestehen.
Jo blieb kurz stehen und spähte in das gläserne Dunkel links von sich, ohne irgendetwas erkennen zu können.
Irgendwie mochte sie die Heller. Sofern sie sich überhaupt so etwas wie persönliche Sympathien zugestand. Doch ihre Zuneigung zu Winnie Heller ging entschieden nicht so weit, dass sie ihre Story aufs Spiel gesetzt hätte. Vielleicht würde sie ihr einen kleinen Tipp geben, wenn es so weit war, wenn sie selbst ihre Schäfchen im Trockenen hatte. Aber ganz bestimmt keine Sekunde früher! Schließlich war das Spiel, das sie spielten, durchaus fair. Alle hatten die gleichen Chancen. Jeder konnte die Informationen, die in der Luft lagen, auswerten und seine Schlüsse daraus ziehen. Natürlich war es reiner Zufall gewesen, dass sie sich heute Nachmittag für die richtige Richtung entschieden hatte und die Heller für die falsche. Aber dafür hatte sie ihr ja den Hinweis mit dem Wagen gegeben. Als Ausgleich sozusagen. Dass es kein schwarzer Mercedes-Geländewagen, sondern ein Hyundai Tucson gewesen war, fiel ihrer Ansicht nach in die Kategorie »zu vernachlässigen«. So etwas konnte man – zumal auf die Entfernung – durchaus schon mal verwechseln. Und dass sie im Sucher
ihrer Kamera noch weit mehr gesehen hatte als einen Fahrzeugtyp, war definitiv ihre Sache. Zwar war sie nicht schnell genug gewesen, um das Gesicht des Artisten zu erkennen. Aber sie hatte seinen Hinterkopf gesehen. Blond, nicht dunkel. Und an der Heckscheibe … Jo lächelte zufrieden. An der Heckscheibe hatte ihr persönlicher Hauptgewinn geklebt: rund, etwas mehr als handtellergroß, mit schwarzer Schrift: 150 JAHRE ZOOLOGISCHER GARTEN FRANKFURT AM MAIN.
Wow, hatte sie gedacht, das ist doch mal was!
Falls das Auto dem Artisten gehörte, war der Aufkleber zweifellos ein 1-a-Hinweis. Und falls nicht, war er immerhin eine Spur. Und in Kombination mit Wagentyp und Teilen des Kennzeichens …
Jo blieb kurz stehen und lauschte. Dann verließ sie das Katzenhaus durch den Ausgang an der Rückseite.
Noch eine Kurve …
Nachdem sie die Heller abgefrühstückt hatte, war sie in ihren Wagen gestiegen und nach Frankfurt gefahren, wo sie seit viereinhalb Jahren ein schäbiges kleines Apartment bewohnte. Aber sie war nicht nach Hause gefahren, sondern auf direktem Weg zum Zoologischen Garten. Zu diesem Zeitpunkt hatte noch ganz normaler Betrieb geherrscht. Jo hatte ein Ticket gekauft und war losgezogen. Zuerst hatte sie sich ganz konkret nach dem Hyundai erkundigen wollen, doch irgendetwas hatte sie davon abgehalten. Und so hatte sie den Mann an der Kasse lediglich gefragt, wo die Angestellten des Zoos ihre Autos parkten. Er hatte sie zwar ein bisschen komisch angesehen, aber sie war kein Typ, dem man misstraute, etwas, das sie immer wieder mit Verwundern feststellte.
Also hatte er ihr den Weg zur Tiefgarage beschrieben.
Sie hatte nicht erwartet, den Hyundai dort zu finden. Vielmehr hatte sie gehofft, auf irgendwen zu treffen, den sie nach dem Wagen fragen konnte. Und zu diesem Zweck hatte sie
sich eine nette kleine – und vor allem glaubhafte – Geschichte zurechtgelegt. Dass sie den Wagen versehentlich gerammt habe und aus lauter Angst erst einmal weitergefahren sei. Aber die Sache lasse sie nicht los, und nun wolle sie sich mit dem Besitzer in Verbindung setzen, um ihm den Schaden zu ersetzen, falls es einen gebe, und so weiter und so fort.
Und dann hatte sie ihn entdeckt!
In einer Parktasche, nur ein paar Meter hinter der Schranke …
»Entschuldigen Sie bitte«, hatte sie gefragt, als kurz darauf ein junges Mädchen in der typischen Kleidung eines Tierpflegers erschienen und auf einen klapprigen grünen Mini zugegangen war.
»Ja? Kann ich Ihnen helfen?«
»Vielleicht …«
Ein hilfsbereites Zögern.
»Wissen Sie zufällig, wem dieses Auto dort drüben gehört? Der schwarze Hyundai.«
Das Mädchen hatte nicht lange überlegen müssen. »Na klar, der gehört Fred. Fred Kaczynski.«
Wenn eine Frau fragte, noch dazu eine, die gerade mal eins fünfundsechzig groß war, brauchte man vermutlich nicht allzu misstrauisch zu sein …
»Und wo finde ich den?«
»Fred?« Das Mädchen hatte auf die Uhr gesehen. »Tja, wenn Sie Glück haben, erwischen Sie ihn vielleicht noch in seinem Revier.«
»Und das ist …?«
»Ach so, ja, entschuldigen Sie. Das Affenhaus. Direkt hinter den Nashörnern.«
»Wann
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