Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
hat Fred denn normalerweise Feierabend?«
Idiotischerweise hatte die Angesprochene gleich noch einmal auf ihre Uhr geschaut. »Eigentlich jetzt.«
Jo hatte sich bedankt und entschieden, in der Tiefgarage zu
warten. Sie kannte sich mit Tieren nicht besonders gut aus, aber sie hielt es durchaus für möglich, dass Fred länger machte, wo er doch unterwegs gewesen war an diesem Nachmittag. Vielleicht war etwas liegengeblieben, das er noch aufarbeiten musste.
Um sich die Wartezeit zu verkürzen, gab Jo seinen Namen in die verschiedenen Suchmaschinen ihres iPhones ein und fand Fred Kaczynski sowohl bei Wer-kennt-Wen als auch bei Twitter. Die Fotos, die kurze Zeit später auf Jos Display erschienen, zeigten einen übergewichtigen Mann von etwa Mitte fünfzig. Braune Augen unter buschigen Brauen, wulstige Lippen. Und offenbar lächelte er, wo er ging und stand.
Superfred. Geschieden. Vielseitig interessiert …
Das ist nicht der Mann, hinter dem wir alle her sind, hatte Jo gedacht, während sie im Vorbeisurfen zur Kenntnis genommen hatte, dass Fred ein glühender Fan des SV Wehen Wiesbaden zu sein schien, in drei verschiedenen Karnevalsvereinen aktiv war und zum Ausgleich – oh Schreck! – regelmäßig Kurse in Aquarellmalerei belegte.
Und im Herbst brechen wir auch dieses Jahr wieder zu ei- ner Kreativwoche in die Toskana auf , hatte er vor etwas mehr als zwei Wochen auf der Homepage seines Vereins gepostet. Das wird wieder absolut genial. Vor allem, wenn Bodo seinen berühmten Speckauflauf macht. Die künstlerischen Ergebnisse des letzten Jahres könnt ihr übrigens auf der Homepage der Farbflecken e.V. bestaunen .
Es folgte ein Link auf die Adresse.
Jo hatte müde gelächelt und das iPhone wieder eingesteckt.
Und dann hatte sie ihn gesehen!
»Hallo, Fred.«
Die schlurfenden Schritte hatten überrascht innegehalten. »Ja?«
Vor dem Hintergrund der Informationen, auf die sie gestoßen war, hatte Jo davon abgesehen, ihre Geschichte von dem
möglicherweise gerammten Auto zu wiederholen. Dieser Fred war ein Mann, für den sein Auto weit mehr als sein Auto war. Und wenn sie da auch nur andeutete, dass sie dem armen Ding ein Leids getan hatte …
»Tut mir leid, dass ich dich einfach so anquatsche …« Ein Du an der richtigen Stelle kam bei dieser Sorte Mann immer gut. »Aber ich bin eine Freundin von Monika.«
Monika???
Er kannte keine Monika, ganz klar.
»Toskana«, hatte sie gesagt und ganz bewusst eine Welt von Bedeutung in das harmlose kleine Wort gelegt.
»Jaaaa, na klar …« Sein Wulstgesicht hatte sich erfreut aufgehellt. »Jetzt weiß ich.«
Den Teufel weißt du! Aber gut so!
»Wir sind vorhin die Rhönstraße runtergefahren, weißt du, und die Moni sagt plötzlich so zu mir, du, guck mal, das da hinten ist doch tatsächlich der Wagen von Fred, Fred Kaczynski. Und sie hupt natürlich wie blöd, aber du reagierst nicht.«
»Konnt’ ich auch nicht.« Jetzt grinste er von Ohr zu Ohr. Keine Frage, er war zutiefst geschmeichelt. Selbst wenn besagte Monika ihm so unbekannt war wie der Leuchtturmwärter auf Spiekeroog.
»Wieso nicht?«
»Weil ich’s gar nicht gewesen bin.«
Bingo!
Dann stellen wir uns mal ganz dumm …
»Nicht? Aber das ist doch dein Wagen, oder? Ich meine, der schicke Hyundai da, echt geiles Gerät …«
»Klar, das ist meiner. Aber heut Nachmittag hat ihn wer anders gefahren.« Ein zahnlückiges Lächeln. »Ich hab ihn nämlich ausgeliehen.«
»Ach, komm schon.« Sie war ein Stück näher an ihn herangetreten und hatte ihn kumpelhaft in die Seite gebufft. »Wem leihst du denn deinen Wagen? Ich meine, das Schätzchen ist
doch viel zu schade, um von irgendeinem Idioten verheizt zu werden.«
Was das anging, hatte er ihr selbstverständlich zugestimmt. Aber der Kollege, dem er den Wagen geliehen habe, sei absolut vertrauenswürdig. Außerdem sei so was auch nicht ganz zu verhindern, immerhin laufe das Fahrzeug gewissermaßen als Dienstwagen – mit allen entsprechenden Vorteilen. Und wenn dann mal wieder einer zum Flughafen müsse, irgendeine blöde Transportbox abholen … Na ja, in den Kofferräumen der meisten Kollegen sei nun mal nicht so komfortabel viel Platz wie in dem Hyundai. Schon gar nicht in so ’nem Popelauto wie dem Nissan von Damian Kender …
»Ist das der Kollege, der sich den Wagen heute Nachmittag ausgeliehen hat?«, hatte Jo vorsichtshalber noch einmal nachgehakt.
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