Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
uns im Sektionssaal.«
»Dass jemand bei Ihnen heiraten möchte, habe ich tatsächlich noch nie gehört«, warf Werneuchen mit einem amüsierten Augenzwinkern ein. »Aber so ein Neunzigster von der Erbtante zwischen all diesen Zinksärgen … Das hätte doch was, oder?«
»Ich hab ja schon immer gewusst, dass du nicht so harmlos bist, wie du tust«, knurrte Bredeney.
»Nur zu, meine Herrn.« Dr. Gutzkow lachte wieder ihr lautes Männerlachen. »Immer raus mit den Monströsitäten. «
»Nach meinen Informationen wollte der Freund von Frau Endecke ursprünglich den sogenannten Katzendschungel mieten«, bemühte sich Winnie Heller indessen, das Gespräch wieder in ernsthaftere Bahnen zu lenken. »Das ist das Gebäude, in dem die Tiger und Löwen untergebracht sind. Aber es war an dem betreffenden Abend schon anderweitig vergeben. Und da sind sie eben ins Exotarium ausgewichen.«
»Na schön, also Frau Endecke hat kurz vor der Tat im Frankfurter Zoo Geburtstag gefeiert«, resümierte Hinnrichs. »Merle Olsen hatte beruflich dort zu tun, und Iris Vermeulen ist mit ihrer Klasse dort gewesen. So weit, so gut. Aber was ist mit Tatiana Schwarz? Und Edyta Bary?«
»Na jaaaaa«, antwortete Winnie kleinlaut. »Ich fürchte, das ist der Haken an meiner Theorie. Ich meine, Edyta Bary kann
ich ja leider im Augenblick nicht fragen. Aber es ist gut möglich, dass auch sie Verbindungen zum Zoo hat.«
»Möglich?«, schnaubte Hinnrichs. »Ach, kommen Sie, Heller. Von möglich haben wir gar nichts, und das wissen Sie!«
»Aber …«, setzte sie an.
Doch Hinnrichs fiel ihr sofort wieder ins Wort. »Tatiana Schwarz können Sie sehr wohl fragen«, fuhr er sie an. »Und ich müsste mich sehr in Ihnen täuschen, wenn Sie’s nicht längst getan hätten.«
Winnie merkte, wie sie rot wurde. Aber sie nickte.
»Und?«
»Sie war schon mal da.«
»Sie meinen, im Frankfurter Zoo?«
»Ja.«
»Wann?«
Nun ja, das war leider genau der Punkt …
»Sie schätzt, zuletzt vor drei oder vier Jahren.«
»Ha!«, machte Hinnrichs.
»Das ist trotzdem ein interessanter Ansatzpunkt«, kam Verhoeven seiner Partnerin überraschend zu Hilfe. »Ich finde, es könnte sehr wohl etwas zu bedeuten haben, dass drei unserer fünf Opfer in den letzten Monaten dort gewesen sind. Und zwar jeweils gleich für längere Zeit.«
Winnie schenkte ihm ein dankbares Lächeln. Manchmal war der Kerl tatsächlich für irgendwas zu gebrauchen! »Die Feier von Frau Endecke dauerte mehrere Stunden«, griff sie sein Argument auf. »Iris Vermeulen war, wie gesagt, einen ganzen Tag dort. Und Merle Olsens Vertretungseinsätze haben ebenfalls ein paar Stunden in Anspruch genommen.«
»Apropos«, fiel Hinnrichs ihr ins Wort. »Hat sich diese Frau jetzt endlich mal beruhigt, oder belästigt sie ihre Leidensgenossinnen noch immer?«
Sie belästigt uns , las Winnie Heller im Blick ihres Vorgesetzten, und vom Prinzip her musste sie Verhoeven sogar
recht geben. Trotzdem hatte sie augenblicklich das Bedürfnis, Merle Olsen in Schutz zu nehmen. Vielleicht, weil sie den dringenden Wunsch, Licht in das Dunkel des eigenen Schicksals zu bringen, so gut nachvollziehen konnte. Laut sagte sie: »Sie meint es nicht böse. Sie sucht einfach nur nach einem Weg, damit fertigzuwerden.«
Hinnrichs bedachte sie mit einem langen, forschenden Blick.
»Aber ich bin sicher, dass Ihre Lebensgefährtin sie in Zukunft davon abhalten wird, noch mehr Staub in dieser Richtung aufzuwirbeln«, setzte Winnie eilig hinzu. »Sie scheint sehr vernünftig zu sein.«
»Na schön.« Hinnrichs beugte sich vor und justierte seinen Kugelschreiber. Er war ein Mensch, der – vor allem in Stresssituationen – dazu neigte, die Dinge um sich herum zurechtzurücken. Und egal, wie ordentlich ein Tisch war, er fand immer ein Dokument, das falsch lag, oder eine Kaffeetasse, deren Henkel in die falsche Richtung zeigte. »Und was haben Sie im Hinblick auf diese Zoo-Theorie jetzt vor?«
Winnie Heller tauschte einen Blick mit ihrem Vorgesetzten. »Ich denke, wir sollten uns dort mal ein wenig umsehen.«
Hinnrichs sah auf die Uhr. »Um diese Zeit werden Sie da niemanden mehr antreffen.«
Verhoeven nahm die Wasserflasche, die neben seinem Stuhl stand. »Dann eben morgen«, sagte er.
»Ja«, sagte Winnie. »Morgen.«
10
Jo Ternes landete mit den Füßen zuerst auf einer frisch gemähten Wiese und klopfte sich ein paar trockene Blätter vom T-Shirt. Dann schlug sie den breiten Rundweg ein, der quer
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