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Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Titel: Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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durch den Zoo führte. Es war das
reinste Kinderspiel gewesen, auf das Gelände zu gelangen. Die Mauern waren alt und Jo an weitaus widrigere Bedingungen gewöhnt. Ganz abgesehen davon, dass sie im Zuge von Recherchen schon mal ein halbes Jahr im Trainingslager einer palästinensischen Untergrundorganisation verbracht hatte und wusste, wie man sich Zutritt verschaffte.
    Es war ein Schuss in Blaue, ganz klar. Aber sie verfügte von Haus aus über gute Instinkte. Auf diese Instinkte hatte sie sich immer verlassen können, zwischen den zerfetzten Häuserzeilen in Kundus genauso wie im Garten jener illegalen jüdischen Siedlung im Westjordanland, in dem sie gerade eine Familie von drei Generationen interviewt hatte, als die Rebellen in den Hügeln gegenüber ihre umgerüstete Katjuscha-Rakete abgefeuert hatten. Damals hatte Jo es einzig und allein ihrem untrüglichen Gespür für Gefahr zu verdanken gehabt, dass sie neben ihrem Leihwagen anstatt unter den Bäumen gestanden hatte, als das Geschoss eingeschlagen war. In dem Garten, den sie nur Sekunden zuvor verlassen hatte, war niemand mit dem Leben davongekommen. Nicht zuletzt deshalb hatte die Story ihr eine Menge Geld eingebracht. Interviews mit Toten waren immer eine Bank. Und wenn dann auch noch Kinder auf dem Band zu sehen waren, die mit leuchtenden Augen über das nächste Fest sprachen, das sie feiern würden, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt nur noch wenige Minuten zu leben hatten, war das in ihrem Job fast so etwas wie ein Jackpot. Und auch dieses Mal, das spürte sie, war eine ganze Menge für sie drin.
    Vorausgesetzt, dass sie alles richtig machte …
    Sie lächelte, als in der Dämmerung zu ihrer Rechten irgendetwas zu schreien anfing. Es klang nach einem Vogel, ein Reiher vielleicht oder ein Flamingo. Exotische Geräusche wie diese mitten in einer derart naturfernen Umgebung, wie sie Frankfurt am Main zweifellos verkörperte, hatten etwas so brüllend Irreales, dass es fast zum Lachen war, auch wenn die
Geräusche durchaus zu der bleiernen Hitze passten, die noch immer wie eine unsichtbare Käseglocke über der Millionenmetropole schwebte.
    Wie viel im Leben doch von günstigen Zufällen abhing!
    Jo sah kurz über ihre Schulter und wandte sich dann nach rechts. Vorhin auf dem Friedhof hatte sie nach etwas ganz anderem gesucht als nach dem, was sie schließlich gefunden hatte. Sie war zu Jan Portners Begräbnis gegangen, weil sie sich dort einen Hinweis auf dessen Mörder erhofft hatte, einen verräterischen Blick, eine Nervosität oder eine Zufriedenheit, die nicht zum Anlass passte. Irgendetwas in dieser Richtung. Aber als Journalistin musste man nehmen, was man kriegen konnte. Und das, was sie bekommen hatte, konnte sich durchaus sehen lassen!
    Die einzige Frage war, ob es hielt, was es versprach …
    Vor ihr tauchte der Katzendschungel auf, ein ausladendes, relativ neues Gebäude, das vier verschiedene Arten südasiatischer Raubkatzen beherbergte. Rechter Hand verlief eine Mauer parallel zum Rundweg, in die bodentiefe Glaseinsätze eingelassen waren. Obwohl sie bereits zum zweiten Mal an diesem Tag hier war und um die Sichtfenster wusste, schrak Jo unwillkürlich zusammen, als dicht neben ihr urplötzlich ein lautloser Körperschatten vorbeiglitt. Sie sah ein Paar reflektierender Augen, erstaunlich groß und etwa auf Höhe ihrer Schulter. Dann war der Sumatratiger bereits wieder im Dunkel des Freigeheges verschwunden. Zurück blieben ein leises Rascheln von trockenem Laub und der typische Raubtiergeruch, der in der zähen Luft schwebte wie eine unausgesprochene Warnung.
    Wenn diese Scheibe nicht wäre …
    Wenn das hier ein fairer Kampf wäre  …
    Überrascht stellte Jo fest, dass sie trotz der Hitze leise fröstelte.
    Schnell ging sie weiter. Sie hatte keine Ahnung, ob die
Tierhäuser auch außerhalb der Öffnungszeiten zugänglich waren, doch die Glastür, die den Eingang zum Raubtierhaus markierte, glitt bereitwillig zur Seite, kaum dass der Sensor sie erfasst hatte.
    Auf den Gängen brannte um diese Zeit nur die Notbeleuchtung. Dazu kam das Licht, das vom Himmel fiel. Milchige Halbmondhelligkeit. Genug, um sich zurechtzufinden. Aber das war auch schon alles. Jo roch Rindenmulch und Moschus und dachte wieder an das Begräbnis, das sie auf die Spur des Artisten gebracht hatte. Und an die Verfolgungsjagd, an deren Ende sie mit einem schönen Stück Beute nach Hause gegangen war. Ganz im Gegensatz zu den beiden Kommissaren, die freilich

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