Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
ich noch bei Ihnen aufschlagen, um diesen Wisch zu bekommen, den mein Boss haben will?«
Jetzt lachte Dr. Kerr aus voller Kehle. »Heißt das, Sie sind bereit, die vorgeschriebene Anzahl von Gesprächen mit mir zu führen?«
Winnie Heller antwortete mit einer Gegenfrage: »Hab ich irgendeine Wahl?«
Die Psychologin schwieg einen Augenblick. Dann erklärte sie, nun wieder völlig ernst: »Ich kann Ihnen nur das sagen, was meine Seite betrifft. Und die sieht so aus, dass ich während unseres Gesprächs den Eindruck gewonnen habe, dass Sie mit der Erfahrung, die Sie machen mussten, durchaus gut zurechtkommen. Sogar bemerkenswert gut, wenn man Ihr Alter bedenkt«, fügte sie nach kurzem Überlegen hinzu.
Winnie glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen.
»In meinen Augen sind Sie eine ehrgeizige, lebenstüchtige junge Beamtin mit einer gesunden Einstellung zur Sache und
guten Instinkten«, schloss Amanda Kerr, »und genau das werde ich Ihrem Vorgesetzten auch berichten.«
»Danke«, entgegnete Winnie mechanisch. Das war so ziemlich das Letzte, was sie erwartet hatte!
»Keine Ursache.« Es klang durchaus glaubhaft, wie die Psychologin das sagte. »Und wenn Sie irgendwann doch mal das Gefühl haben, dass Ihnen etwas auf der Seele liegt, scheuen Sie sich bitte nicht, mich anzurufen.«
Winnie schüttelte ungläubig den Kopf. »Okay«, sagte sie. Und dann noch einmal: »Danke.«
»Dann will ich Sie nicht weiter stören«, versetzte Dr. Kerr unsentimental. »Viel Erfolg weiterhin und alles Gute.«
Und bevor Winnie Heller sich ein drittes Mal bedanken konnte, hatte sie die Verbindung auch schon unterbrochen.
Winnie nahm das Handy vom Ohr und starrte fassungslos auf das Display hinunter. »GESPR ÄCHSDAU ER: 2,32 Min.« stand dort, dann erlosch auch diese Anzeige und hinterließ einen dunklen Monitor.
Konnte es tatsächlich möglich sein, dass irgendetwas in ihrem Leben mal ohne Komplikationen verlief? Sie lehnte sich zurück und ertappte sich dabei, nach einem Pferdefuß zu suchen. Nach irgendeinem Hinweis auf eine Falle, die man ihr gestellt hatte. Einem Trick.
Vielleicht bin ich doch verkorkster, als ich mir eingestehe, überlegte sie, während ihre Augen ziellos über die pseudoaztekischen Dekorationen an der gegenüberliegenden Wand glitten. Doch das war im Moment ihr geringstes Problem. Während sie darauf wartete, dass sich Werneuchen endlich mit den gewünschten Informationen zurückmeldete, kehrten ihre Gedanken zu Kira Schönenberg zurück. Was, wenn Merle Olsens Lebensgefährtin Jan Portner tatsächlich von früher her gekannt hätte? Was, wenn sie damals gar ihre Freundin an ihn verloren hatte? Eine Freundin, die sie nicht nur sitzenließ, sondern Portners wegen obendrein auch eine vielversprechende
Karriere wegwarf, um sich nur wenige Jahre später das Leben zu nehmen?
Winnie zupfte nachdenklich an ihrer Unterlippe. Jan Portner hatte längere Zeit im Ausland verbracht und mehrfach den Wohnort gewechselt. Was, wenn er und Kira Schönenberg einander nur durch einen dummen Zufall wieder über den Weg gelaufen waren? Weil Portners aktuelle Frau für ein paar Tage ins Krankenhaus gemusst hatte …
»Winnie?«, drang in diesem Augenblick Werneuchens Stimme aus dem Handy.
»Ja?«
»Du hattest recht: Kira Schönenberg hat auch in Tübingen studiert. Und zwar exakt zur selben Zeit wie Anna Laux.«
Obwohl sie auf diese Neuigkeit im Grunde schon vorbereitet gewesen war, nahm die plötzliche Gewissheit Winnie für einen Moment den Atem.
»Ich habe mich auch nach ihrer Station erkundigt«, fuhr Werneuchen unterdessen fort, »und erfahren, dass Frau Schönenberg auf der Inneren arbeitet. Irina Portner hingegen hat auf der Gynäkologie gelegen.«
»Das muss nichts besagen«, wischte Winnie den vorsichtigen Einwand mit einer knappen Geste vom Tisch. »Portner und sie können einander trotzdem begegnet sein. Vielleicht hat sie ihn in der Eingangshalle oder auf dem Flur gesehen, als er seine Frau besucht hat. Immerhin wissen wir von den Schwestern auf der Station, dass er während ihres Aufenthalts jeden Tag dort war.«
Herr Portner hatte gern alles unter Kontrolle …
»Stimmt«, räumte Werneuchen ein. »Und passen würde es allemal.«
Es würde alles passen, resümierte Winnie, während sie mit der freien Hand eine Reihe von imaginären Kreisen auf die Tischplatte zeichnete. Kiras offensichtliche Verärgerung, als ich Merle Olsen danach gefragt habe, ob sie schon mal
mit einem Mann liiert gewesen
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