Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
nicht immer wieder an der Tatsache gestoßen, dass der Artist akribisch gut über das persönliche Umfeld seiner Opfer informiert war, andererseits jedoch niemand im Vorfeld der Taten irgendeine Auffälligkeit bemerkt zu haben schien?
Aber vielleicht stimmt das gar nicht, spann Winnie den Gedankengang weiter. Vielleicht ist er doch aufgefallen. Unserer Unbekannten, zum Beispiel, die ihr Wissen lediglich für sich behielt, weil es ihr nützlich schien …
Der Punkt war, dass ein paar Tage nach diesem Streit ein Wagen vom Zoo vor meiner Praxis geparkt hat , flüsterte Merle Olsen in ihrem Kopf.
Winnie trank einen Schluck von ihrer Cola. Merle Olsen, die Frau, die jede noch so kleine Information sammelt, die sie über ihren Vergewaltiger bekommen kann. Die trotz Gegenwind mit Vehemenz darauf besteht, die anderen Opfer über die Tathergänge zu befragen. Die unbedingt wissen will, wann, wo, wem irgendetwas aufgefallen ist. Und die dennoch aus dem, was sie hört, nicht die richtigen Schlüsse zieht.
Sie nicht, resümierte Winnie. Aber vielleicht ihre Freundin …
Irgendwann sah Kira dann noch mal aus dem Fenster und sagte: Seltsam, aber er steht immer noch da. Aber das war’s dann auch. Immerhin war es … Ich meine, es war doch nicht wichtig, verstehen Sie?
O doch, dachte Winnie, wenn meine Theorie stimmt, war es sogar sehr wichtig. Und als die Kollegen nach der Tat gefragt haben, ob Merle Olsen jemanden bemerkt habe, der sie in den letzten Wochen oder Tagen beobachtet haben könnte, ist Kira Schönenberg der schwarze Hyundai mit dem Zoo-Logo eingefallen …
Sie griff zum Telefon und rief im Präsidium an.
Dieses Mal meldete sich Werneuchen.
Winnie berichtete ihm in knappen Worten von ihrem Gespräch mit Merle Olsen, dem Hyundai, den Jo Ternes aller Wahrscheinlichkeit am Südfriedhof gesehen hatte, und von Damian Kender, von dem Verhoeven hoffentlich gerade ein Foto schoss. »Aber ich versuche jetzt erst mal, mir Klarheit über ein paar zeitliche Abläufe zu verschaffen«, erklärte sie, als sie geendet hatte.
»Sicher, worum geht’s?«
»Kannst du mir sagen, wann genau Irina Portner in der Paulinen-Klinik gelegen hat?«
Werneuchen sah nach. »Sie ist dort auf den Tag genau heute vor fünf Wochen entlassen worden.«
»Also noch vor Merle Olsens Vergewaltigung«, resümierte Winnie. »Richtig?«
»Richtig.«
»Aber nach dem Überfall auf Iris Vermeulen?« Winnie hörte das Klappern einer Computertastatur.
»Genau«, bestätigte Werneuchen kurz darauf. »Iris Vermeulen wurde in der Woche vergewaltigt, in der Irina Portner im Krankenhaus lag. Und zwar drei Tage vor deren Entlassung. «
»Okay.« Winnie Heller vergrub die Stirn in der freien Hand, während ihre Gedanken wild durcheinandersprangen. »Kannst du rausfinden, wann und wo die erste Frau Portner, also Anna Laux, Medizin studiert hat?«
»Das kann ich dir sogar aus dem Stegreif sagen«, erklärte Werneuchen stolz. »Wir haben nämlich endlich die Daten von Jos Laptop vorliegen, und die hat ihre Hausaufgaben wirklich gemacht.«
»Das glaube ich unbesehen«, entgegnete Winnie, während für einen kurzen Moment das schlechte Gewissen wieder Raum griff. Und die Angst, Jo nicht lebend zu finden.
»Anna Laux hat in Tübingen studiert und ihr Studium zwei Semester vor dem Abschluss abgebrochen«, erklärte unterdessen Werneuchen, »was von ihren Kommilitonen kaum jemand fassen konnte. Sie war nämlich eine der Besten ihres Jahrgangs.«
»Bis sie Portner kennengelernt hat«, schloss Winnie.
»Tja, damit hatte keiner gerechnet«, pflichtete Werneuchen ihr bei. »Zumal Anna bis dato von Kerlen nicht allzu viel wissen wollte.«
»Was?« Winnie Heller richtete sich so abrupt auf, dass die Bedienung erschrocken den Kopf wandte.
»Anna Laux galt allenthalben als lesbisch«, antwortete
Werneuchen. »Umso geschockter reagierten die Leute natürlich auf die Affenliebe, mit der sie plötzlich an Portner hing.« Er räusperte sich. »Der scheint übrigens damals schon herzlich wenig Sympathien gewonnen zu haben«, ergänzte er dann. »Obwohl er als junger Kerl zugegebenermaßen überaus attraktiv gewesen ist.«
Nicht nur als junger Kerl, dachte Winnie mit einer leisen Gänsehaut. »Tust du mir einen Gefallen?«
»Sicher doch.«
»Könntest du für mich in der Paulinen-Klinik anrufen und dich in der Verwaltung nach einer Internistin namens Kira Schönenberg erkundigen?«
»Klar. Was genau
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