Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
Hartschalenkoffer in sein Versteck zurück.
Vorhin, auf dem Weg hierher, hatte er Mr. Volvo noch einmal von weitem gesehen. Da war er in Begleitung der kleinen Pummeligen gewesen, die ihm gestern auf dem Friedhof so dicht auf den Fersen gewesen war. Nebenbei bemerkt eine von den ganz Gefährlichen. Einerseits auf eine beinahe vernachlässigte Weise unscheinbar, dabei aber blitzgescheit und obendrein trotz ihrer jungen Jahre bereits ganz schön gebeutelt. Er wäre jede Wette eingegangen, dass man in ihrer Vergangenheit ein großes und dunkles Geheimnis finden konnte. Und wahrscheinlich auch ein traumatisches Erlebnis. Das verriet ihm schon allein die Aggressivität, die sie auszustrahlen versuchte, damit auch ja keiner auf die Idee kam, sie anzugreifen. Dabei war sie in Wahrheit ein echtes Seelchen.
Aber egal. Auf solche Details kam es nicht mehr an. Fakt war, dass sie ihn aus irgendeinem Grund am Arsch hatten. Und dass es jetzt einzig und allein darum ging, mit heiler Haut aus der Sache herauszukommen.
Er sah auf die Uhr.
Die Linienmaschine nach Khartum war bereits fort. Die nächste ging morgen am späten Vormittag. Rund zwanzig Stunden, die er gewissermaßen zur freien Verfügung hatte.
Seine Hand tastete nach dem Foto, das auch nach dem Umziehen wieder ordentlich in seiner Brusttasche steckte.
Zwanzig Stunden, in denen er sich die Zeit vertreiben musste.
Und ein Ort, der vermutlich der letzte Ort auf diesem Planeten war, an dem sie nach ihm suchen würden …
10
»Kenders Mutter ist gestorben, als Damian noch in der Lehre war«, erklärte Jürgen Wieczorek, dessen Leute in aller Eile Erkundigungen eingezogen hatten. Verhoeven hatte das K 12 ganz bewusst eingebunden, jetzt, da endlich Bewegung in den Fall gekommen war. Immerhin hatte die Vorarbeit der Kollegen ihnen die Arbeit entscheidend erleichtert. »Er hat Friseur gelernt und anschließend an der Frankfurter Oper eine Ausbildung zum Maskenbildner gemacht. Die Mutter war schon lange leidend. Sie hatte eine seltene Krankheit, die mit einer übergroßen Lichtempfindlichkeit einherging.«
Winnie Heller nickte. Sie hatte Damian Kender anhand des Fotos in seiner Personalakte als den Mann identifiziert, den sie auf dem Friedhof verfolgt hatte. Hinnrichs hatte daraufhin einen Haftbefehl gegen ihn erwirkt, doch Kender war nach wie vor flüchtig. Ein Team aus Spezialisten durchkämmte mit Spürhunden das gesamte Zoogelände, das eigens zu diesem Zweck evakuiert worden war. Auch damit Kender keine Chance hatte, Geiseln zu nehmen, falls er sich tatsächlich noch in der Nähe befand. Gerade sprach Verhoeven noch einmal mit Kenders Kollegen aus dem Exotarium.
Winnie Heller blinzelte in den unangenehm weißen Himmel hinauf, der zum ersten Mal seit Wochen tatsächlich nach Gewitter aussah. In die Hitze hatte sich in den letzten Stunden deutlich mehr Feuchtigkeit gemischt, was die Sache nicht gerade erträglicher machte. »Haben Sie auch etwas gefunden,
was Kender in Zusammenhang mit sexuellen Übergriffen bringt?«, wandte sie sich wieder an Wieczorek. »Irgendwelche Anzeigen wegen Belästigung oder dergleichen?«
»Negativ«, entgegnete dieser. »Aber ich habe da vielleicht was anderes.«
»Was denn?«, drängte Winnie.
»Die Mutter einer ehemaligen Klassenkameradin von Kender hat sich das Leben genommen, wenige Monate nachdem Kenders Mutter gestorben war.«
»Weiß man, weswegen?«
»Tja, so ganz verstanden hat das damals wohl niemand«, antwortete Wieczorek. »Aber die einhellige Meinung ging dahin, dass es mit dem Schicksal ihrer Tochter zusammenhing. «
Winnie Heller horchte auf. »Was war denn mit ihr?«
»Florentine Reding wurde kurz vor dem Abitur plötzlich krank und bald darauf in eine geschlossene Anstalt eingewiesen. Und nach allem, was wir bislang wissen, lebt sie immer noch dort.«
»Wie lange ist das her?«, fragte Winnie, indem sie eilig zurückrechnete.
»Etwas mehr als sechzehn Jahre.«
»Das ist eine verdammt lange Zeit.« Winnie fuhr sich mit der freien Hand durch die Haare. Ihr eigener Klinikaufenthalt hatte vierzehn Monate gedauert und war ihr wie eine Ewigkeit vorgekommen. »Was genau fehlt der Frau denn?«, fragte sie.
»Scheiße, Sie wissen doch, wie das mit Krankenakten und Persönlichkeitsrechten aussieht«, versetzte Wieczorek, offenbar verärgert darüber, dass er noch keine Klarheit hatte. »Solange Sie keinen eindeutigen Bezug zu einer Straftat nachweisen können, wird Ihnen da niemand irgendeine Auskunft erteilen. Und
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