Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
verletzt. Bei der Leiche handelt es sich um den Ehemann.«
Bei der Leiche …
»Aha«, entgegnete Winnie Heller knapp. »Sind meine Kollegen schon …?« Sie unterbrach sich und blickte über die Schulter des Beamten die Straße hinunter, wo Verhoevens Volvo eben hinter einem der Streifenwagen parkte. »Hat sich erledigt«, verkündete sie. Dann ließ sie den jungen Mann stehen und ging ihrem Vorgesetzten entgegen.
Verhoeven sah müde aus, was an der späten Stunde liegen mochte. Oder auch daran, dass er zu wenig schlief in der letzten
Zeit. Seine Frau stand kurz vor der Entbindung ihres zweiten Kindes, und dem Vernehmen nach war Verhoeven so aufgeregt, wie man als werdender Vater nur sein konnte.
»Und?«, begrüßte sie ihn. »Alles klar zu Hause?«
»Was meine Frau betrifft, schon«, antwortete er mit leiser Selbstironie. »Sie hat sich auf die Seite gerollt und einfach weitergeschlafen, nachdem mein Piepser losgegangen war, während ich mir ausgemalt habe, was passieren könnte, wenn ausgerechnet heute Nacht die Wehen einsetzen und das Handy nicht funktioniert und Nina die Rufe meiner Frau nicht hört oder hinfällt und ohnmächtig wird bei dem Versuch, ihrer Mutter ein anderes Telefon zu bringen, und …«
»Wieso?«, unterbrach Winnie Heller ihren Vorgesetzten mit einem breiten Grinsen. »Ich denke, Sie haben mit ihr geübt, wie man den Notarzt verständigt.«
»Sicher doch.« Verhoeven schlug die Autotür zu. »Und in Anbetracht der Tatsache, dass sich unsere Tochter mittlerweile eigenständig Telefonnummern von Hochschulinstituten aus dem Internet heraussucht, um den Sekretärinnen dort eine Menge kluger Fragen zu stellen, wenn sie mit ihrem Experimentierkasten nicht weiterkommt, sollte man wohl davon ausgehen, dass sie in der Lage ist, im Fall der Fälle die 110 zu wählen.«
Winnie Heller lachte. »Tja, ich schätze, das sollte man wohl.«
» Ich bin das Problem«, erklärte Verhoeven in einem Anflug von Vertraulichkeit, und wie immer, wenn er ein wenig privater wurde, als es nötig gewesen wäre, beschlich Winnie Heller augenblicklich ein diffuses Unbehagen. »Meine Frau nimmt die Sache mit Coolness. Meine Tochter freut sich auf die neue Erfahrung. Meine Schwiegereltern haben bereits ein Konto eröffnet, damit das Baby auch ja Zahnmedizin studieren kann. Nur ich bin einfach nicht in der Lage, die Dinge auf mich zukommen zu lassen.«
Klar, dachte Winnie Heller, weil du ein Kontrollfreak bist. Laut sagte sie: »Es wird schon alles gut gehen.«
Er nickte. »Bestimmt.«
Doch irgendwie klang es nicht besonders überzeugt.
»Wie viel haben Ihnen die Kollegen von der Zentrale verraten? «, beeilte sich Winnie Heller, das Gespräch auf den Fall zu lenken, der sie zu dieser ungewöhnlichen Stunde zusammenführte.
»Dass der Artist wieder zugeschlagen hat«, antwortete Verhoeven. »Und dass es dieses Mal einen Toten gegeben hat.«
»Ei nen Tot en ?«, hakte Winnie nach und unterdrückte eine leise Verärgerung. Darüber, dass ihr Vorgesetzter ganz offenbar besser informiert worden war als sie selbst.
»Ja, den Ehemann der Opfers. Der Artist muss irgendwann gegen elf über ein Fenster im ersten Stock eingedrungen sein. Er überfällt die Frau, die zu diesem Zeitpunkt allein im Haus ist, betäubt sie und vergewaltigt sie anschließend. Irgendwann während der Tat erscheint der Ehemann überraschend auf der Bildfläche, der Artist zückt eine Waffe, tötet den Mann und verschwindet.« Er zupfte an seinem Hemdkragen. »Da die Frau zu diesem Zeitpunkt noch immer bewusstlos war, hat sie die Leiche ihres Mannes erst gefunden, als sie wieder wach wurde.«
Winnie Heller blickte an der Fassade des Hauses hinauf, in dem sich die Tragödie zugetragen hatte. Ein hypermoderner Kasten mit ausladenden Fensterfronten – alles rechteckig und so steril, dass einem selbst in dieser heißen Sommernacht das Frösteln kommen konnte.
»Sollen wir hineingehen?«, fragte Verhoeven, und es war eher eine Aufforderung als eine Frage.
Sie nickte dennoch. »Die Frau ist vor einer Dreiviertelstunde in die Klinik gebracht worden.«
»Ist sie schwer verletzt?«
Winnie Heller zuckte die Achseln, und ihr Boss wandte
sich mit seiner Frage an einen der beiden Streifenbeamten, die als Erste vor Ort gewesen waren.
Dieser überlegte kurz. »Nicht allzu schwer, würde ich sagen. Das heißt, was man so sehen konnte.«
Verhoeven nickte. »Dann sehen wir uns jetzt den Tatort an.«
»Hier entlang.« Der uniformierte Beamte
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