Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
überrascht die Augenbrauen hoch. Irgendwie sah der Tote nicht aus, wie sie sich einen gelernten Koch vorstellte. Die lässige Eleganz, die er ausstrahlte, hätte eher zu einem Unternehmensberater oder Börsenanalysten gepasst. Ihr Blick streifte wieder seine Hose, und sie dachte an die diversen Kochshows, in die sie manchmal durch Zufall beim Zappen geriet und die sie nicht mochte, vermutlich, weil sie selbst eine lausige Köchin war und der Ästhetik des kultivierten Essen-Zubereitens schon aus diesem Grund nur wenig abgewinnen konnte. Aber wenn sie die Fragmente dieser Shows Revue passieren ließ, kam sie durchaus zu dem
Schluss, dass die wenigsten Köche heutzutage noch wie Köche aussahen.
»Vor einiger Zeit hat Portner sich mit einem eigenen Restaurant selbstständig gemacht«, fuhr Wieczorek neben ihr mit seinem Bericht über die Karriere ihres Mordopfers fort. »Und auch dabei hatte er wieder das Glück auf seiner Seite. Oder sein Können, wie immer Sie das deuten wollen. Jedenfalls läuft sein Laden ausgezeichnet, und die Leute kommen in Scharen, um bei ihm zu essen. Das Canard, falls Ihnen das was sagt.«
»Meine Schwiegereltern gehen ab und zu dorthin«, nickte Verhoeven, und Winnie Heller registrierte den Vorbehalt in seiner Stimme, auch wenn ihr Vorgesetzter sich alle Mühe gab, neutral zu klingen.
»Ich persönlich bevorzuge Burger und Fritten«, entgegnete Wieczorek. »Aber das ist letztlich eine Frage des persönlichen Geschmacks. Und wie Sie sehen, konnte Portner von diesem Mango-an-Krabbenschaum-Getue mehr als gut leben.«
Winnie Hellers Augen wanderten vom Gesicht des toten Erfolgsgastronomen, das einen erstaunlich unversehrten Ausdruck hatte, zurück zu dem Spiegel über dem Bett.
Der Kollege von der Abteilung für Sexualdelikte bemerkte es und lachte. »Tolles Teil, was?«, rief er. »Aber es kommt noch besser. Passen Sie mal auf.« Er betätigte einen von mehreren Schaltern neben dem Kopfende, woraufhin sich der Spiegel bis auf einen Winkel von etwa 90 Grad über das Bett hinuntersenkte. »Ziemlich abgefahren, oder?«
»Allerdings.« Winnie Heller sah zur Decke, wo eine Reihe von eingelassenen Spots den Raum in ein bläuliches Eislicht tauchte. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte sie das Gefühl, dass der Spiegel trotz seiner barocken Üppigkeit Portners Idee gewesen war, nicht die seiner Partnerin. Vielleicht, weil sie sich einfach nicht vorstellen konnte, dass irgendeine Frau – wie schön sie auch sein mochte – es fertigbrachte,
entspannt im Bett zu liegen, während sämtliche Dellen und sonstigen körperlichen Unzulänglichkeiten wie ein Damoklesschwert über ihrem Kopf schwebten.
»Waren ein äußerst attraktives Paar, die Portners«, bemerkte Wieczorek, der ihre Gedanken erraten hatte. »Das muss man neidlos zugestehen.«
Er nahm eine gerahmte Fotografie von einem der beiden Nachtschränke und hielt sie den Kollegen vom K K 11 hin.
Die Aufnahme zeigte einen strahlenden Jan Portner, der eine wunderschöne dunkelhaarige Frau im Arm hielt. Doch während er unbefangen in die Kamera lächelte, war ihr Blick schräg nach unten gerichtet. Unter den weißen Spaghettiträgern ihres Kleides zeichnete sich ein perfekt modelliertes Dekolleté ab, dem eine zarte Bräune zusätzliche Attraktivität verlieh. Dennoch wirkte Irina Portner unglücklich. Und auch irgendwie entrückt. Fast so, als sei ihr schon dieser harmlose Urlaubsschnappschuss irgendwie unangenehm gewesen.
Der Umgebung nach war das Foto an einem tropischen Strand aufgenommen. In der Karibik vielleicht. Oder auf den Malediven.
»Seine Frau ist quasi über ihn gestolpert, als sie wach wurde«, setzte Wieczorek, der bereits wieder bei der Leiche stand, sein Resümee der Geschehnisse fort.
»Hat sie kein Licht gemacht?«, fragte Verhoeven.
Der Kollege vom K 12 verneinte. »Sie sagt, sie hatte furchtbare Angst, dass der Kerl, der sie überfallen hat, noch in der Nähe sein könnte. Da hat sie ihn nicht auch noch extra auf sich aufmerksam machen wollen.«
Verhoevens Blick wanderte zum Fenster, wo hinter duftigen Vorhängen die Schwärze der Sommernacht klebte. »Klingt einleuchtend.«
»Sie hatte das Telefon neben sich auf dem Nachtschrank liegen und wählte den Notruf, während sie auf die Tür zustolperte. « Wieczorek zog ein Taschentuch aus dem Hosenbund
und wischte sich flüchtig einen feinen Schweißfilm von der Stirn. »Ich habe mir die Aufzeichnung des Gesprächs angehört, und auf mich macht die Sache
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