Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
langsamer wurde. Als ob er ihnen ganz explizit die Gelegenheit geben wollte, aus ihrem Versteck zu kommen.
Doch es kam niemand.
Damian beschleunigte seine Schritte und brachte die wenigen zweihundertfünfzig Meter bis zu der Stelle hinter sich, an der er sein eigenes Auto abgestellt hatte. Einen Nissan, silbergrau, alt, unauffällig. Er drehte sich nicht noch einmal um, auch wenn ihn das erhebliche Überwindung kostete. Es machte ihn wahnsinnig, wenn er nicht wusste, was in seinem Rücken los war.
Ein gedämpftes Klack. Die Zentralverriegelung deaktiviert. Die Tasche mit seinen Sachen in den Kofferraum gestellt.
Aber was war mit der Straße?
Was war los, hinter ihm? In seinem Rücken?
Als er es nicht mehr aushielt, holte er tief Luft und drehte sich um.
Nein, nichts. Noch immer nicht.
Also einsteigen. Den Schlüssel ins Zündschloss. Den Gurt angelegt, damit ihm niemand krummkommen konnte. Irgendeine Streife, die von nichts wusste. Müde Polizisten, die aus purer Langeweile ein x-beliebiges Fahrzeug stoppten. Ein nicht angelegter Gurt. Ein nicht funktionierendes Rücklicht … Wie oft war eine solche Banalität schon der Anfang vom Ende gewesen!
Damian tastete blind nach dem Gurt und hörte, wie der Verschluss einrastete. Ein letzter Blick in den Rückspiegel, dann ließ er den Wagen an und verschwand unbehelligt in der Dunkelheit.
ZWEI
1
Als Winnie Heller vor dem Anwesen der Portners hielt, war sie nass geschwitzt. Sie hatte ihren Polo in einem Februar und obendrein in einem Zustand akuter Geldknappheit gekauft, ein Umstand, der sie zu dem folgenschweren Trugschluss veranlasst hatte, dass Klimaanlagen in die Kategorie Luxus, auf den man getrost verzichten kann gehörten.
»Und wenn es mir tatsächlich mal zu warm werden sollte«, hatte sie geantwortet, als der Verkäufer ihr dieses megaumfangreiche Super-Sonder-Klimapaket schmackhaft machen wollte, »dann kurble ich einfach die Scheibe runter. Das ist sowieso viel gesünder als dieser aufgequirlte Mist, den diese Klimaanlagen ausspucken.«
Doch bereits im folgenden Sommer hatte sie leidvoll festgestellt, dass ihre Argumentation massiv zu hinken begann, wenn sich ein kräftiges Hoch über Russland festsetzte und die gesamte frische Luft aus dem Rheinland sog, um sie irgendwo an der Nordseeküste wieder abzuladen. Und die Hitze in diesem Jahr brach wirklich alle Rekorde. Winnie Heller seufzte und nahm den marineblauen Leinenblazer vom Beifahrersitz, den sie sich vor ein paar Tagen geleistet hatte. Eigentlich sah das Teil trotz seines – zumindest für ihre Verhältnisse – stolzen Preises aus, als habe irgendwer seit Wochen darin geschlafen, aber Grunge war ja angeblich wieder modern, und die Schweißflecken auf ihrem T-Shirt schrien definitiv nach Bedeckung. Ihre Augen blieben an der Uhr neben dem Tacho hängen. Fünf Minuten nach halb drei, mitten in der Nacht.
Sie stieg aus und sah sich um.
Mehrere Streifenwagen sicherten das Gelände zur Straße hin. Die Haustür hingegen stand sperrangelweit offen. An der Auffahrt zur Garage und neben dem Eingang waren uniformierte Beamte postiert. Winnie Heller blickte sich nach den Häusern auf der anderen Straßenseite um. Hinter einem der dunklen Fenster bewegte sich etwas. Klar, ein solches
Aufgebot erregte Aufmerksamkeit, selbst zu dieser späten Stunde. Ohnehin konnten viele Leute wegen der andauernden Hitze nicht schlafen. Sie tappten ziellos in ihren Häusern herum, saßen die halbe Nacht in ihren Gärten oder auf ihren Balkonen und hofften auf ein wenig Abkühlung. Von den Schlagzeilen, die seit Wochen die örtliche Presse beherrschten, gar nicht zu reden. Als Winnie Heller auf das hell erleuchtete Gebäude zuging, fragte sie sich, wie viele Augen ihr folgten.
Der junge Polizist an der Haustür, der das blonde Haar militärisch kurz geschnitten trug, quittierte ihren Dienstausweis mit einem müden Nicken.
»Wo ist das Opfer?«
»Sie haben sie ins Krankenhaus gebracht. Vor ungefähr einer Dreiviertelstunde.«
Winnie Heller runzelte die Stirn. »Was soll das heißen?«, fragte sie irritiert. »Wieso ins Krankenhaus?«
Die Rückfrage schien den jungen Kollegen zu verunsichern. »Na ja, der Notarzt hat gesagt, dass sie …«
»Notarzt?«, fiel sie ihm gleich wieder ins Wort. »Ich denke, die Frau ist tot.«
»Ach so … Nein, nein«, rief der Mann, sichtlich erleichtert, der Ursache ihrer Verständigungsschwierigkeiten auf die Spur gekommen zu sein. »Sie ist nicht tot. Nur
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