Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
Patienten?«
»Ziemlich viele.«
»Auch jetzt, in der Ferienzeit?«
»Sicher. Sogar fast mehr als sonst. Diese Affenhitze macht auch vor Tieren nicht halt.« Sie tauschte einen Blick mit ihrer Freundin, und wieder hatte Winnie Heller den Eindruck, dass die beiden vor ihren Augen einen ganz persönlichen Kampf ausfochten.
»Erinnern Sie sich an irgendjemanden, der in der Zeit vor der Tat neu zu Ihnen kam?«, fragte sie.
Merle Olsen hob gleichgültig die Achseln. »Ich habe eigentlich dauernd neue Patienten.«
»Merle ist Reptilienspezialistin«, ergänzte Kira Schönenberg, während sie sich mit dem Rücken gegen das Balkongeländer lehnte. »Alles, womit normale Tierarztpraxen überfordert sind, wird zu ihr geschickt. Zum Teil von weit her. Sie glauben gar nicht, was die Leute alles auf sich nehmen, wenn es um das Wohl ihrer Tiere geht.« Ihre Miene spiegelte unübersehbar Unverständnis. »Oft mehr, als sie für ihre Kinder tun würden.«
»Das heißt, Sie haben mit ständig wechselnder Kundschaft zu tun?«, resümierte Winnie, an Merle gewandt.
»Sowohl als auch«, antwortete die Tierärztin. »Der normale Betrieb – also Hunde, Katzen und Kleintiere, die kastriert oder durchgecheckt oder sonst was werden sollen – nimmt etwa fünfzig Prozent meiner Arbeit ein. Die übrige Zeit beschäftige ich mich mit Wechselwarmen. Außerdem habe ich einen kleinen Lehrauftrag an der Mainzer Uni.«
Winnie Heller seufzte. »Sie haben es demnach nicht nur mit Tieren und deren Herrchen oder Frauchen, sondern auch mit Studenten zu tun?«
»Genau.«
»Halten Sie nur Seminare oder auch Vorlesungen?«
»Ausschließlich Seminare«, entgegnete Merle Olsen. »Zwei, um genau zu sein.«
»Mit einer begrenzten Anzahl an Studenten?«
»Ja.« Sie dachte nach. »Zweiundsechzig oder dreiundsechzig zuletzt, glaube ich. Aber im Augenblick sind ja ohnehin Semesterferien.«
»Trotzdem brauchen wir eine Liste sämtlicher Studenten, die im vergangenen Semester eines Ihrer Seminare belegt hatten«, sagte Winnie Heller. »Und darüber hinaus auch eine von allen Patienten, die Sie in den Wochen vor der Tat behandelt haben.« Sie zögerte, bevor sie hinzufügte: »Insbesondere solche, die neu zu Ihnen kamen oder geschickt wurden.«
Merle Olsens Blick suchte Kira Schönenberg, die nach wie
vor am Geländer lehnte. »Ich werde natürlich mein Bestes tun«, entgegnete sie zögerlich. »Aber ich … Na ja, also, ich kann nicht für Vollständigkeit garantieren.«
Was im Klartext heißt, dass sie bei sich in der Praxis nicht alles über die Bücher laufen lässt, resümierte Winnie Heller. Und bestimmt sind es vor allem die Nicht-Stammpatienten, die unter den Tisch fallen …
»Was ist mit dem Zoo?«, mischte sich Kira Schönenberg ein.
Ihre Lebensgefährtin zog die Stirn in Falten. »Stimmt«, stöhnte sie dann. »Das war ja auch noch.«
Winnie Heller blickte zwischen den beiden Frauen hin und her. »Klären Sie mich auf?«
»Oh ja, natürlich, entschuldigen Sie.« Merle Olsen lächelte. »Ich habe kurz vor der Tat auch noch einen Kollegen vertreten, der krankheitsbedingt ein paar Tage ausfiel. Er betreut die Großtiere und Exoten im Frankfurter Zoo.«
»Und Sie sind für ihn eingesprungen?«
»Ja.«
»Neben dem normalen Praxisbetrieb?«
»Ja.«
»Wann genau war das?«
Sie überlegte lange. »Vielleicht zwei oder drei Wochen vor der Tat.«
»Eher zwei«, bemerkte Kira Schönenberg in neutralem Ton.
Winnie Heller blickte sich zu ihr um. »Haben Sie auch mit Tieren zu tun?«
»Nein«, antwortete Merle Olsen für ihre Partnerin. »Kira ist Humanmedizinerin.«
Erstaunlicherweise schien es Kira Schönenberg in keiner Weise zu befremden, dass ihre Freundin so einfach das Ruder an sich riss. Und das, obwohl die Spannung zwischen den beiden Frauen noch immer mit Händen zu greifen war. »Stimmt«, sagte sie nur. »Ich arbeite als Internistin in der Paulinenklinik. «
»Und wo waren Sie in der Nacht, als Ihre Freundin überfallen wurde?«
»Im Krankenhaus. Ich hatte Nachtdienst.« In den beiden schlichten Sätzen schwang eine Welt von schlechtem Gewissen.
Winnie Hellers Augen wanderten zu Merle Olsen zurück, und sie überlegte, ob die Tierärztin das Schuldbewusstsein in den Augen ihrer Freundin überhaupt registrierte. »Und im Zuge dieser Vertretung, von der Sie sprachen«, kam sie wieder auf ihre vorausgegangene Frage zurück: »Wie oft waren Sie bei dieser Gelegenheit im Frankfurter Zoo?«
»Dreimal«, antwortete die
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