Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
geschehen ist …?«
Die Tierärztin stutzte kurz. Dann sagte sie: »Er hat wieder zugeschlagen, nicht wahr?«
Die Art und Weise, wie sie das Wort er betonte, ließ Winnie Heller augenblicklich aufhorchen. Hass, unverkennbar. Aber auch noch etwas anderes, das Winnie nicht einordnen konnte. »Ja, leider«, entgegnete sie knapp. »Darf ich mich kurz mit Ihnen unterhalten?«
Merle Olsen trat sofort einen Schritt zur Seite, und Winnie hatte eigentlich nicht den Eindruck, dass sie sich belästigt fühlte. Im Gegenteil. Sie wirkte, als sei in ihr eine besondere Form des Interesses erwacht. »Selbstverständlich. Kommen Sie rein.«
Sie gingen durch einen hohen Flur, dann in ein traumschönes Wohnzimmer mit Kamin und viel altem Stuck. An der Rückwand führte eine zweiflüglige Glastür auf den Balkon hinaus. Eine blonde Frau stand dort mit dem Rücken zu ihnen und blickte über das hübsch verzierte Geländer hinweg in den Garten. Erst als sie schon fast unter der Tür waren, drehte sie sich um.
»Meine Lebensgefährtin, Kira Schönenberg«, stellte Merle Olsen vor. »Frau Heller von der Kripo.«
Kira Schönenberg verzichtete darauf, Winnie Heller die Hand zu geben. In ihren graugrünen Augen lag ein Hauch von Argwohn. »Was ist passiert?«, fragte sie scharf.
»Der Artist hat wieder zugeschlagen«, erklärte ihre Freundin.
»So.« Und noch immer dieses leise Misstrauen. »Wann?«
Merle Olsen warf ihrer Besucherin einen kurzen, fragenden Blick zu, und Winnie Heller antwortete: »Heute Nacht.«
Dann berichtete sie in knappen Worten, was ohnehin nicht mehr lange geheim zu halten sein würde.
»Habe ich dir nicht gesagt, dass dieser Scheißkerl niemals aufhören wird?«, wandte sich die Tierärztin an ihre Freundin, kaum dass Winnie Heller geendet hatte, und Winnie hatte das Gefühl, Zaungast einer höchst eigenartigen Auseinandersetzung zu sein. Da war eine Spannung zwischen den beiden Frauen, die sich beinahe mit Händen greifen ließ und die ihr dennoch angesichts der Situation vollkommen fehl am Platze zu sein schien. »Habe ich das nicht von Anfang an gesagt? Und auch, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis er jemanden umbringt?«
»Ja«, entgegnete Kira Schönenberg mit bitterem Unterton. »Das hast du gesagt.«
Winnie Heller nutzte den Moment der Ablenkung, um sich Merle Olsens Partnerin ein wenig genauer anzusehen, und sie kam zu dem Schluss, dass sie eine überaus eigenwillige und wahrscheinlich auch sehr erfolgreiche Frau vor sich hatte. Um Kira Schönenbergs Lippen lag ein Zug, der Stärke und Tatkraft verriet. Aber auch eine elementare Sorge. Eigentlich sieht sie fast mitgenommener aus als ihre Partnerin, stellte Winnie erstaunt fest. Oder war das am Ende gar nicht so verwunderlich? Sie dachte an ihre Schwester und daran, dass einer von Ellis Ärzten einmal zu ihr gesagt hatte, das Zuschauen sei ebenso schwer wie das Kranksein selbst. Mindestens …
»Kann ich Ihnen irgendetwas anbieten?«, erkundigte sich in diesem Moment Merle Olsen, und ihr Ton war beflissen, fast übereifrig.
Winnie lehnte dankend ab und nahm in einem gemütlichen Korbstuhl Platz.
Doch so leicht ließ sich die Tierärztin nicht abspeisen. »Eine Tasse Kaffee vielleicht?«, fragte sie. »Oder vielleicht lieber ein Glas Wasser bei dieser Hitze?«
»Ich möchte Sie wirklich nicht lange belästigen«, entgegnete
Winnie mit einem entschiedenen Kopfschütteln. »Und wahrscheinlich sind Ihnen alle Fragen, die ich Ihnen stelle, auch bereits mehrfach von meinen Kollegen gestellt worden, aber …«
»Das macht nichts«, fiel Merle Olsen ihr ins Wort, indem sie sich auf einen Stuhl gegenüber setzte. »Fragen Sie ruhig. Das … Es ist okay.«
Winnie Heller nickte. »Gut. Dann würde ich Sie gern als Erstes fragen, ob Ihnen in der Zeit vor der Tat irgendetwas Besonderes aufgefallen ist. Im täglichen Leben, meine ich. Etwas, das anders war als sonst.«
»Wissen Sie, darüber habe ich seither eigentlich fast ununterbrochen nachgedacht«, erklärte Merle Olsen, und an Kira Schönenbergs Reaktion konnte Winnie Heller ablesen, dass diese Behauptung in keiner Weise übertrieben war. »Aber ich bin leider zu keinem brauchbaren Ergebnis gekommen. Zumindest ist da nichts, das mir besonders im Gedächtnis geblieben wäre«, schränkte sie ein.
»Sie sind Tierärztin, nicht wahr?«
Merle Olsen nickte. »Ja.«
»In einer Tierklinik, oder …«
»Ich habe eine eigene Praxis in der Rheinstraße.«
»Und betreuen Sie dort viele
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