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Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Titel: Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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irgendetwas entschuldigen zu müssen. Obwohl sie ein Buch las, das sie offensichtlich interessierte (ein kulinarischer Reisführer über Andalusien), blickte sie in regelmäßigen Abständen kurz auf, um die Lage um sich herum zu sondieren. Sie gehörte zu der Sorte, die leicht in sich versank, selbst wenn sie sich in der sogenannten Öffentlichkeit bewegte. In diesen Phasen fiel es ihr außerordentlich schwer, überhaupt noch etwas wahrzunehmen, ganz egal, wie dicht es sich auch in ihrer Nähe abspielte. Allerdings wusste sie um diese Schwäche und baute vor, indem sie sich regelmäßig umsah. Da ihre Instinkte ihr nichts über den richtigen Zeitpunkt verrieten, hatte sie sich einen bestimmten Rhythmus angewöhnt, in dem sie ihre Augen auf Patrouille schickte. Wie zwei von diesen Überwachungskameras, die dreißig Sekunden nach links liefen, um dann umzuschwenken und weitere dreißig Sekunden in die entgegengesetzte Richtung zu filmen. Leicht auszutricksen, wenn man die Intervalle kannte, aber im normalen Leben durchaus ausreichend.
    Andere Menschen hingegen waren nahezu ununterbrochen auf der Hut. Manchmal sogar, ohne sich dessen bewusst zu sein. Dennoch sahen sie sich sorgfältig um, wenn sie einen Zug bestiegen oder ein Geschäft betraten, und ob die entsprechende
Information nun bis in ihr Bewusstsein drang oder nicht, sie wussten immer, wo sich der nächste Ausgang oder der Nothammer zum Einschlagen der Scheibe befand. Im Restaurant wählten sie nach Möglichkeit einen Platz mit Überblick und Rückendeckung, bevorzugt in einer Ecke mit Wänden von zwei Seiten, die sie schützten.
    Der Mann dort drüben, zum Beispiel, dessen Begleiterin in einem fort auf ihn einredet, der nutzt die Gelegenheit, sich umzuschauen. Obwohl er heute zum ersten Mal hier ist, weiß er bereits ganz genau, wo sich die Herrentoilette befindet und dass die rotblonde Kellnerin mit der linken Hand schreibt. Wenn jetzt ein Feuer ausbrechen würde oder eine Bombe explodierte, würde er sich daran erinnern, dass sich hinter dem Zigarettenautomaten noch ein zweiter Ausgang befindet, eine unscheinbare, nachlässig schwarz gestrichene Tür, die niemandem auffällt. Er hat die Überwachungskamera gesehen, die auf den Kassenbereich gerichtet ist, und er weiß auch, wohin er sich stellen muss, um nicht von ihr erfasst zu werden. Er weiß sogar, dass er beobachtet wird, jetzt, in diesem Augenblick. Sein Instinkt verrät ihm, dass von irgendwo her Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet ist. Da ist jemand in diesem Raum, der über ihn nachdenkt, der ihn analysiert, seine Schwachstellen abscannt, und er hat nicht die geringste Ahnung, wer das sein könnte. Das macht ihn schier wahnsinnig, aber er verrät sich  – wenn überhaupt  – nur durch kleine Gesten, die er nicht mit seinem Willen steuern kann. In einem Moment wie jetzt etwa, wenn seine Finger vollkommen sinnlos und viel zu hektisch über seine Armbanduhr streichen …
    Tja, mein Freund, du bist gut, keine Frage. Aber meine Tarnung ist besser.  
    Wenn ich es nicht will, merkst du nicht mal, dass ich da  bin.
    Als habe er Damians Gedanken gelesen, blickte der Mann
in diesem Moment herüber. Ganz kurz nur. Und dann auch ganz schnell wieder weg. Sein Urteil über Damian hatte er  –  fast genauso schnell wie die Frau im Zoo, nur aus anderen Gründen  – bereits vor einer Viertelstunde gefällt, und sollte ihn je einer fragen, was er an dem kleinen Ecktisch schräg gegenüber gesehen hat, würde er antworten: einen Kerl im blauen T-Shirt, dunkelblondes Haar, nicht zu kurz, nicht zu lang, um die dreißig, schlank, sportlich, gesund. Durchschnittstyp, nichts Besonderes.
    Eine gute, wenngleich wenig hilfreiche Analyse der Gegebenheiten …
    Wenn du erreichen willst, dass man dich nicht wahrnimmt,  versuch auf keinen Fall, nicht da zu sein. 
    Auf übergroße Unauffälligkeit reagieren die meisten Menschen nämlich genauso, wie sie auf besondere Auffälligkeit reagieren: Sie sehen genauer hin. Etwas, das du dir nicht leisten kannst.
    Gib lieber vor, etwas zu sein, was du nicht bist .
    Die Menschen lieben es, ihre Eindrücke in hübsche kleine Schubladen einzusortieren. Das beruhigt sie, weil es ihnen die Welt, dieses unermessliche, unbeherrschbare Chaos, ein wenig überschaubarer macht.
    Wenn du erreichen willst, dass man dich nicht wahrnimmt,  mach es wie die Wandelnde Geige .
    Diese überaus geschickte und dabei absolut

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