Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Titel: Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
Vom Netzwerk:
Wenn Sie dieselbe Person hingegen nach der Farbe der Gardinen fragen, ernten Sie wahrscheinlich nicht mehr als ein verständnisloses Achselzucken.« Sie ordnete ein paar Schriftstücke, die neben ihrem Wasserglas lagen. »Unterm
Strich hat natürlich jede einzelne dieser Personen recht, jede auf ihre ganz spezifische Weise.«
    »Alle sehen ein mehr oder weniger großes Teilstück«, pflichtete Winnie ihr bei, indem sie ihre Handtasche wieder neben sich auf den Boden stellte. »Und wenn man Pech hat, erwähnt keiner dieser Leute das, was für uns wichtig wäre.«
    »Unser aller Wahrnehmung ist geprägt von persönlichen Interessen und Erfahrungen auf der einen und unseren ganz individuellen Erwartungen auf der anderen Seite«, fuhr Dr. Kerr fort. Sie schien noch immer nicht die geringste Eile zu haben, auch wenn die fünf Minuten, von denen sie gesprochen hatte, längst verstrichen waren. »Wenn Sie die unbeteiligten Beobachter aus meinem Beispiel in eine Wohnung schicken und ihnen vorher erzählen, dass dort ein superreicher Geschäftsmann lebe, der Ärger mit der Mafia habe, dann werden sie sich dort grundlegend anders umschauen, als sie es täten, wenn sie mit einer anderen Vorgabe in die entsprechenden Räumlichkeiten geschickt würden. Was ich meine, ist: Wir alle suchen  – bewusst oder unbewusst  – immer instinktiv nach Bestätigung. Und je klarer das, was wir zu finden erwarten, definiert ist, desto eingeschränkter  – oder besser: voreingenommener  – ist unsere Wahrnehmung.«
    »Na, klasse«, versetzte Winnie trocken. »Das heißt im Klartext, wir sind zu vernagelt, um den Kerl zu kriegen.«
    Jetzt war es an der Psychologin, laut aufzulachen. »Oh nein«, rief sie fröhlich. »Das glaube ich nicht.«
    »Sondern?«, fragte Winnie, doch Amanda Kerr kam nicht mehr dazu, ihr zu antworten, weil in diesem Augenblick ihre Sekretärin unter dem Türrahmen auftauchte. Sie war Profi genug, ihre Ungeduld nicht allzu deutlich zur Schau zu tragen, aber sie war offenbar auch entschlossen, sich jetzt nicht mehr zurückweisen zu lassen.
    »Ich bin schon unterwegs«, rief Dr. Kerr, die die Körperhaltung ihrer Angestellten ähnlich zu deuten schien, und zog einen
Aktendeckel aus dem Schrank hinter sich. Dann reichte sie Winnie Heller eine angesichts der Hitze erstaunlich kühle Hand. »Tut mir sehr leid, aber die Pflicht ruft.«
    Oh, wie schade!
    »Kein Problem.«
    »Sie hören von mir.«
    Im Vorbeigehen nahm Amanda Kerr ihrer Sekretärin noch rasch irgendein Formular aus der Hand. Dann war sie mit eiligen Schritten um die nächste Ecke verschwunden.
    Während Winnie Heller langsam zu ihrem Auto zurückging, das gottlob im Schatten einer imposanten Kastanie gestanden hatte, ließ sie das Gespräch mit der Psychologin noch einmal Revue passieren. Sie hatte ein eigenartig indifferentes Gefühl, was das Ergebnis dieses Gesprächs betraf. Erleichtert einerseits. Aber auch skeptisch.
    Sie hören von mir  …
    Bedeutete das, dass es einen neuen Termin geben würde? Oder war sie raus aus der Nummer? Schon raus? Endgültig aus dem Schneider? Immerhin hatten sie ja geredet, Dr. Kerr und sie. Oder etwa nicht?
    Winnie ließ sich auf den unangenehm warmen Fahrersitz fallen und öffnete als Erstes sämtliche Fenster. Sie hasste Zustände, in denen sie nicht wusste, woran sie war. Aber sie hatte in der Hektik des Aufbruchs auch nicht zu fragen gewagt, wie es nun weitergehen würde. Ob  es weiterging. Aber das würde es vermutlich. Alles andere wäre einfach zu schön, um wahr zu sein.
    Sie schnallte sich an und steckte den Schlüssel ins Zündschloss. Rückblickend hatte sie den Eindruck, dass sie über den Fall gesprochen hatten, und zwar ausschließlich über den Fall. Aber sie war keineswegs sicher …

8
    »Was, um Himmels willen, soll das denn?«, rief Verhoeven entsetzt. Er hatte sich stapelweise Arbeit mit nach Hause genommen, Aktenmaterial, Berichte, Analysen. Und eigentlich hatte er nur mal kurz nach seiner Tochter sehen wollen, nachdem er seine Frau schlafend auf der Couch vorgefunden hatte.
    Jetzt allerdings stand er bis zu den Fußgelenken im Wasser und blickte fassungslos auf zwei völlig durchnässte Kinder hinunter. Leider befanden sich diese besagten Kinder weder am Gartenteich noch im Planschbecken auf der Terrasse, sondern im Keller seines Hauses. Genauer gesagt in jenem an und für sich wohlgepflegten Raum, in dem die Waschmaschine und der Trockner standen.
    Nina, die sehr genau wusste, wann sie

Weitere Kostenlose Bücher