Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
wirkten, ausgesprochen attraktiv. Etwas, das Brenda von Anfang an fasziniert hatte. Allerdings hatte sie in letzter Zeit festgestellt, dass sich die Wirkung allmählich abnutzte. Aber das lag vielleicht auch daran, dass sie ihn mehr und mehr durchschaute. Die Art und Weise, wie er sie ausnutzte. Wie er sie zu lenken verstand, indem er ihr genau das sagte, was sie hören wollte, und dabei ungeniert seiner Wege ging, die ihn nicht selten in die Arme anderer Frauen führten.
Brenda drückte ärgerlich den Lappen aus und widmete sich dann mit Nachdruck dem Fliesenspiegel über dem Herd.
»Alles okay mit dir?«, fragte sie, als Tom nach einer ganzen Weile noch immer keine Anstalten machte, zu verschwinden. Nicht dass sein Befinden sie tatsächlich interessiert hätte.
Aber sie konnte es nun mal auf den Tod nicht ausstehen, wenn er in ihrer Nähe herumhing und sie beim Bügeln, Wäschelegen oder – wie jetzt – beim Küchenschrubben beobachtete.
»Ja, ja, alles bestens«, entgegnete er geistesabwesend. »Es ist nur …«
»Was denn?«
Herrgott! Allmählich verlor sie wirklich die Geduld!
»Und du bist wirklich ganz sicher, dass du den Mercedes nicht vielleicht doch bewegt hast?«, hakte er anstelle einer Antwort noch einmal nach.
»Was soll dieser Blödsinn?«, fuhr sie ihn an. »Wieso fragst du mich so ein hirnrissiges Zeug? Hat dein Baby vielleicht irgendeinen Kratzer, für den du einen Schuldigen suchst, oder bist du bloß mit dem falschen Fuß aufgestanden?«
Seine Augen klärten sich, und er wirkte mit einem Mal verwundert. Vielleicht, weil sich eine seiner Theorien überholt hatte. Vielleicht auch, weil er instinktiv spürte, dass sie ihm und seinem Einfluss allmählich entglitt.
»Tut mir leid«, sagte er nur. Doch noch immer rührte er sich nicht von der Stelle.
»Verdammt noch mal, Tom, was ist los mit dir?«, fuhr sie ihn an. »Ist der Wagen beschädigt oder was?«
Er schüttelte den Kopf. »Diese ganze Sache ist wirklich seltsam«, murmelte er vor sich hin, mehr an sich selbst als an sie gewandt. »Aber das alles ist wahrscheinlich nur Einbildung, verstehst du?«
Er verharrte noch einige Sekunden regungslos unter der Tür. Dann drehte er sich plötzlich um und verschwand in der Diele.
»O nein«, rief sie ihm nach, und ihre Stimme war brüchig vor Zorn. »Ich verstehe kein Wort. Aber das ist dir ja egal, nicht wahr?«
Er kam zurück. Offensichtlich erstaunt über die Heftigkeit ihrer Reaktion. »Tut mir leid«, sagte er noch einmal, und jetzt
klang er fast hilflos. »Ich wollte dich nicht … Es war kein Vorwurf. «
»Okay«, entgegnete sie, indem sie seine stechend hellgrauen Augen fixierte, den einzigen Makel in seinem vollendet geformten Gesicht. »Was ist Einbildung? Und was, zum Teufel, ist dein Problem?«
»Das kann ich dir im Moment wirklich noch nicht sagen«, bekannte er. Und sie musste zugeben, dass sie ihn nie zuvor derart verwirrt gesehen hatte. »Ich glaube, ich muss erst darüber nachdenken …«
7
»Mag sein, dass sie ihren Vergewaltiger gemeint haben«, stöhnte Winnie Heller mit einem ratlosen Kopfschütteln. »Aber mit der Tat als solcher gehen die Frauen vollkommen unterschiedlich um.«
»Beschreiben Sie mir, wie«, forderte Dr. Kerr sie auf.
Winnie Heller dachte nach. »Sarah Endecke würde am liebsten vergessen, was geschehen ist«, antwortete sie dann. »Tatiana Schwarz nimmt es als etwas, durch das man eben durchmuss. Wie eine Krebserkrankung oder den Konkurs der eigenen Firma«, setzte sie nach kurzem Überlegen hinzu.
»Natürlich«, nickte die Psychologin. »Die Verarbeitung eines traumatisierenden Ereignisses wird wie vieles andere stark von der eigenen Biographie geprägt.« Sie zuckte die Achseln. »Jemand wie Tatiana Schwarz ist daran gewöhnt, nach einem Schicksalsschlag die Ärmel hochzukrempeln und einfach weiterzumachen. Also tut sie genau das. Sarah Endecke hingegen hat gelernt, dass man mit Verdrängung weiter kommt als mit offensiver Auseinandersetzung.«
»Die meisten Sorgen bereitet mir in diesem Zusammenhang Merle Olsen«, hörte Winnie Heller sich sagen, bevor sie
etwas dagegen unternehmen konnte. »Sie ist geradezu besessen von dem Mann, der sie vergewaltigt hat.«
»Besessen?« Die Psychologin zog die Augenbrauen hoch. »In welcher Weise?«
»Sie sammelt alle Informationen über ihn, die sie kriegen kann. Und sie bestürmt die anderen Opfer mit Fragen.«
»Nun ja«, Dr. Kerrs Augen blitzten kurz über dem Rand ihrer Brille
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