HMJ06 - Das Ritual
dafür sorgen, dass Ihre Wünsche erfüllt werden. Kommen Sie am besten mit ins Wartezimmer, damit ich neue Termine für Sie suchen kann.«
5
»Sag mir, dass du das warst, Charlie«, sagte Lyle, nachdem er die drei Kunden hinauskomplimentiert hatte. »Sag mir, dass das irgendein neuer Gag war, der ein wenig schief gegangen ist.«
Charlie schüttelte den Kopf. »Nee-nee. Ich kroch gerade mit der Hundepfeife zum Tisch, als die Geister anfingen, alles durcheinander zu schmeißen.«
»Die Geister? Charlie, Junge, tickst du noch richtig?«
»Der Herr möge mir vergeben, ich weiß, es ist eine Sünde, an solche Dinge zu glauben, aber wie willst du sonst erklären, was hier vorgefallen ist?«
»Gestern Abend meintest du, dass Gott uns eine Warnung geschickt hätte, und jetzt sind es Geister? Entscheide dich endlich, Charlie.«
»Es geht nicht darum, mich zu entscheiden, yo. Ich weiß nicht, was hier im Gange ist, aber man muss schon blind oder dämlich oder beides sein, um nicht zu erkennen, dass irgendetwas geschieht.«
»Ja. Wir sollen in die Luft gejagt werden. Du hast gestern Abend den Typ wegrennen sehen. Und du hast den Benzinkanister gesehen. Willst du etwa behaupten, das wäre ein Geist gewesen?«.
»Nein. Natürlich nicht. Aber das hier war anders. Das war …«
»Nichts war anders. Sie konnten uns nicht ausräuchern, also versuchen sie, uns einzuschüchtern, damit wir unsere Zelte abbrechen. Zuerst waren es die Türen und die Fenster, und jetzt dies. Dahinter stecken dieselben Leute.«
»Meinst du wirklich?«, sagte Charlie. »Dann haben wir es mit echten Genies zu tun. Wer Fenster und Türen öffnen und schließen und einen Raum aufmischen kann, so wie die das heute getan haben, sollte für die CIA arbeiten.«
»Vielleicht haben sie das früher auch schon gemacht. Die CIA hat in allem ihre Finger drin.« Er deutete auf die zerbrochenen Fenster. »Man kann doch mit Tönen Glas zum Zerbersten bringen, nicht wahr? Was hältst du von ultrahochfrequenten Klangwellen, die …«
Charlie schüttelte den Kopf. »Unmöglich. Wir haben Gesellschaft, Mann. Das habe ich dir schon gestern Abend gesagt. Das Erdbeben hat ein Tor geöffnet und irgendetwas geweckt. Dieses Haus ist besessen, es spukt hier drin, yo.«
»Und ich habe dir gesagt, dass ich davon nichts hören will!
Einige sehr menschliche Arschlöcher versuchen, uns einzuschüchtern und unsere Kunden abzuschrecken. Das ist es, schlicht und einfach. Aber weißt du was? Das Ganze hat sich ins Gegenteil verkehrt. Unsere Kunden glauben, sie wären Zeugen eines echten, absolut großartigen übernatürlichen Ereignisses gewesen. Sie glauben, dass Ifasen der spiritistische Superstar ist und Echtheit garantiert, und sie wollen mehr, mehr, mehr!«
Er zuckte zusammen, als das Telefon klingelte. Ohne nachzudenken – gewöhnlich warf er erst einen Blick auf die Anruferidentifikation auf dem Display oder er wartete auf das Einschalten der Mailbox und darauf, dass der Anrufer sich meldete – angelte er den Hörer von der Gabel.
»Ja, was ist?«, fauchte er gereizt.
6
»H-hallo?«, meldete sich Gia. Sie war auf eine derart barsche Reaktion nicht vorbereitet. »Ist … ist dort Ifasen?«
Eine kurze Pause, ein Räuspern, dann eine kultiviertere Stimme. »Entschuldigen Sie. Ja, ich bin es. Wer spricht dort, bitte?«
Gia hätte beinahe einem Impuls gehorcht aufzulegen. Sie wusste eigentlich gar nicht, weshalb sie die Nummer überhaupt gewählt hatte. Ein solches Verhalten war ihr völlig fremd …
Sie hatte an diesem Vormittag die Ambulanz des Beth Israel Hospitals aufgesucht, wo man ihr Blut für einen Schwangerschaftstest abgezapft hatte. Dr. Eagletons Patientenservice hatte darauf hingewiesen, dass sie ein schnelles Ergebnis wünsche, doch als Gia um zwei Uhr mittags noch immer nicht benachrichtigt worden war, hatte sie in der Praxis angerufen und erfahren, dass Dr. Eagleton nicht erreicht werden konnte. Der stellvertretende Arzt erwiderte ihre Anrufe nicht. Er hinterließ beim Service eine Nachricht, dass er das Ergebnis von Gias Test nicht kenne und keinen Grund wüsste, weshalb sie sich nicht bis Montag gedulden könne.
Also hatte sie sich direkt ans Labor des Beth Israel gewandt, doch dort hatte man sie mit der Begründung abgewimmelt, sie gäben grundsätzlich keine Testergebnisse direkt an Patienten weiter. Dies geschehe ausschließlich durch den behandelnden Arzt des jeweiligen Patienten.
Enttäuscht und niedergeschlagen war sie
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