HMJ06 - Das Ritual
falls sie sie später mal hören sollten. Denn falls sein Plan gelang, würden sie sie schon sehr bald zu hören bekommen.
9
Nachdem er rund zwanzig Minuten ziellos herumgefahren war, dabei unnötigerweise mehrmals rechts und links abgebogen war und sogar gewendet hatte, wusste er nicht mehr, wo er war. Er dachte sich, wenn er selbst sogar derart durcheinander gebracht war, müssten seine Fahrgäste erst recht verwirrt sein.
Er fand zum Ditmars Boulevard zurück. Orientierte sich und suchte sich dann einen kurvenreichen Weg zum Haus der Kentons. Während er in die Einfahrt einbog, eilten Lyle und Charlie über den Rasen im Vorgarten auf ihn zu. Jack sprang aus dem Wagen und bedeutete ihnen gestenreich, sich still zu verhalten. Er zog sie mit sich zum Wagen und wies durch das Heckfenster. Die Brüder erschraken sichtlich, als sie die beiden gefesselten Gestalten auf und vor der Rückbank sahen, und wandten sich ihm mit großen Augen zu. Jack forderte sie per Zeichensprache auf, das Garagentor zu öffnen.
Als der Wagen hineingefahren und das Tor wieder geschlossen worden war, winkte Jack seine beiden Auftraggeber ins Haus.
»Sind sie das?«, fragte Lyle. Er flüsterte und war kaum zu verstehen, obgleich der Wagen außer Hörweite war.
Jack nickte.
»Die Leute, die es auf mich abgesehen hatten?«
»Genau die.«
»Aber wie kommt es, dass sie jetzt hier …?«
»Das gehört zum Service.«
»Und wer sind sie?«
»Das erfahren wir in ein paar Minuten. Übrigens hoffe ich doch, dass ich mich als engagiert betrachten kann. Anderenfalls müsste ich nämlich zusehen, dass ich die beiden schnellstens wieder loswerde.«
»Keine Sorge«, beruhigte ihn Lyle. »Und wie Sie engagiert sind! Es ist alles okay. Müssen wir so etwas wie einen Vertrag unterschreiben?«
»Ja«, sagte Jack und streckte ihm die Hand entgegen. »Hier ist er.«
Lyle ergriff und drückte die Hand, danach tat Charlie das Gleiche.
»Das war’s schon?«, wunderte sich Lyle.
»Ja, das war’s.«
»Ah, klar, Sie haben sie gekidnappt!«, sagte Charlie.
»Wenn man es genau nimmt, ja. Macht Ihnen das was aus?«
»Nein, aber den Cops, dem FBI …«
»Die werden nie was davon erfahren. Diese Leute haben mich nie gesehen, und sie haben keine Ahnung, dass ihr Wagen in Ihrer Garage steht.« Jack rieb sich die Hände. Es wurde Zeit, einiges über die Kenton-Brüder in Erfahrung zu bringen. »Die Frage ist jetzt, was Sie mit ihnen anfangen wollen. Wir können ihnen die Arme oder die Beine brechen oder die Schädel einschlagen …«
Er beobachtete die Gesichter der beiden Brüder und nahm zufrieden die Abscheu zur Kenntnis, die sich darauf ausbreitete.
»O Mann«, seufzte Lyle. »Heute Nachmittag wollte ich Blut sehen. Ich hätte sie am liebsten umgebracht. Aber jetzt …«
»Ja«, pflichtete ihm Jack bei. »Irgendwie sehen sie richtig jämmerlich aus. Ich für meinen Teil würde ihnen lieber einen Denkzettel verpassen, anstatt ihnen ein paar über den Schädel zu geben.«
Lyle nickte. »Das ist ganz in meinem Sinne. Und wie soll das aussehen?«
»Zuerst ein paar Regeln. In ihrer Gegenwart rede nur ich, und ich klinge wie Oberst Klink. Sie beide geben keinen Laut von sich, denn es ist möglich, dass sie Ihre Stimme erkennen. Und wir wollen doch nicht, dass Sie mit dieser Angelegenheit in Verbindung gebracht werden, oder?«
Sie nickten beide.
»Gut. Nachdem das geklärt ist, holen wir sie erst mal aus dem Wagen. Legen sie auf den Boden, durchsuchen sie und ziehen sie aus …«
»Okay. Aber Moment mal. Wir sollen sie ausziehen?«
»Genau. Ich finde, eine Attacke auf das Schamgefühl dürfte für die Seelen zweier potenzieller Mörder recht heilsam sein, oder nicht? Außerdem werden sie dadurch erheblich eingeschüchtert. Nichts macht einen verletzlicher und hilfloser, als keinen Fetzen mehr am Leib zu haben. Außerdem werden sie es ganz schön mit der Angst zu tun bekommen, denn sie werden sich fragen, ob wir irgendwelche perversen sexuellen Pläne mit ihnen haben.«
»Aber die haben wir doch nicht, oder?« Charlie schaute ihn geradezu flehend an.
»Machen Sie Witze?«, erwiderte Jack. »Sehen Sie sich die beiden doch mal an. Sie nackt hier herumliegen zu haben, dürfte für uns um einiges unangenehmer sein als für sie.«
»Und danach?«, wollte Lyle wissen.
»Filzen wir ihre Klamotten, ihre Brieftaschen und Handtaschen und das Handschuhfach. Wir sehen zu, dass wir möglichst viel über sie rausbekommen, und dann überlegen wir,
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