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HMJ06 - Das Ritual

HMJ06 - Das Ritual

Titel: HMJ06 - Das Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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wilden Zeit, als er noch regelmäßig Koks und Gras konsumierte.
    Doch um seines Seelenheils willen würde er all das wohl aufgeben und hinter sich lassen müssen.
    Um stattdessen was zu tun?
    Das war die Frage. Für was sonst eignete er sich? Vielleicht könnte er in einem Theater anfangen und sich um die Spezialeffekte kümmern. Er konnte auf diesem Gebiet keinerlei Erfahrungen nachweisen, deshalb würde er wohl als Helfer oder Lehrling am untersten Ende der Lohnskala anfangen und sich nach oben arbeiten müssen. Aber wohin?
    Nichts von dem, was er in der bürgerlichen Welt tun könnte, würde ihm das euphorische Gefühl vermitteln, das ihm die Zusammenarbeit mit Lyle regelmäßig bescherte.
    Mit Lyle … Und das war der springende Punkt, genau das machte das Ganze so schwierig. Der Reverend meinte, er und Lyle müssten sich trennen. Dabei waren sie noch nie getrennt gewesen.
    Aber Reverend Sparks hatte Recht. Um des Friedens seiner Seele willen und um sich Sharleens würdig zu erweisen, würde er diese Trennung herbeiführen müssen. Und das möglichst bald.
     
     

5
     
    Jack studierte sein Ebenbild in der Spiegelwand des Fahrstuhls, während er ins vierzehnte Stockwerk hinauffuhr. Er erzeugte mit dem Kaugummi, den er kaute, eine große rosafarbene Blase, dann überprüfte er seine äußere Erscheinung. Er hatte sich heute für eine exzentrische Aufmachung entschieden. Sie bestand aus einer rötlichen Perücke, vorne mit kurzem Pony und hinten lang und wallend, sowie einem buschigen dunkelbraunen Schnurrbart, der fast die gesamte Oberlippe verdeckte. Dazu trug er ein hellgrünes Oberhemd im Westernstil, bis zum Hals zugeknöpft, eine dunkelgrüne Twillhose und Doc-Martens-Schuhe. Um die Taille hatte er sich ein Polster geschnallt, das ihm zu einem mittelprächtigen Bierbauch verhalf. Nur schade, dass seine Ohrläppchen nicht durchstochen waren. Ein kristallener Ohrstecker wäre das Tüpfelchen auf dem i gewesen.
    Er überzeugte sich, dass die Lockenpracht der Perücke sein linkes Ohr bedeckte, so dass der winzige Ohrhörer nicht zu sehen war. Was er und Charlie in der vorangegangenen Nacht noch erledigt hatten, war, eine Wanze in Carl Fosters Kommandozentrale zu verstecken. Den Empfänger hatte sich Jack mit Heftpflaster in Taillenhöhe auf den Rücken geklebt. Ein dünner, nahezu unsichtbarer Draht verlief von dort bis zu seinem Kragen, dann halb um den Hals herum bis zu seinem Ohr.
    Er hatte sich auf der Upper West Side ein Taxi genommen und erschien eine halbe Stunde vor Beginn der für diesen Nachmittag angesetzten Seance in der Lobby von Madame Pomerols Haus. Er wurde von einem Portier aufgehalten. Glücklicherweise war in diesem Haus der Eingang nicht rund um die Uhr bewacht, sonst hätten er und Charlie ihre Mission in der vorangegangenen Nacht vorzeitig abbrechen müssen. So hatten sie lediglich ihre nachgemachten Schlüssel hervorzuholen brauchen, um die gläserne Eingangstür aufzuschließen und das Haus zu betreten.
    An diesem Nachmittag gestattete ihm der Portier, ein dunkelhaariger Latino namens Silvio, von der Lobby aus anzurufen. Jack erklärte dem Mann, der sich meldete – vermutlich Carl Foster –, dass er sich einen möglichst kurzfristigen Termin für eine private Sitzung geben lassen wolle.
    »Kommen Sie herauf«, wurde er umgehend aufgefordert.
    Carl Foster – im bekleideten Zustand deutlich ansehnlicher – öffnete nach Jacks Anklopfen die Tür von Suite 14-B. Er war ganz in Schwarz gekleidet – schwarzer Rollkragenpulli, schwarze Hose, schwarze Schuhe und schwarze Socken – und Jack wusste auch, weshalb. Die Haut um die Augen und den Mund war gerötet – wahrscheinlich in Mitleidenschaft gezogen von, na, was war es wohl, Carl, Klebeband? –, sonst aber sah er dafür, dass er in der vergangenen Nacht einiges durchgemacht hatte, nicht allzu mitgenommen aus.
    Carl Fosters Stirn schien ständig gefurcht zu sein. Vielleicht lag es daran, dass er permanent die Augenbrauen hochzog, als befände er sich in einem Zustand immerwährender Verblüffung. Jack war das in der vergangenen Nacht nicht aufgefallen, aber zu diesem Zeitpunkt hatte Foster allerdings auch gute Gründe gehabt, über die Maßen verblüfft zu sein.
    Er geleitete Jack in einen kleinen Warteraum, der mit einem altertümlichen Tisch und einem halben Dutzend Polstersessel möbliert war. Die gedeckten Farben der Tapete und der dicke Perserteppich erzeugten eine Atmosphäre einladender Gemütlichkeit und geschmackvoller

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