Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
HMJ06 - Das Ritual

HMJ06 - Das Ritual

Titel: HMJ06 - Das Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
Vom Netzwerk:
dessen Alter er auf sechzig Jahre schätzte. Jack betrachtete das Bild. Es zeigte den Mann von der Taille aufwärts. Das Gesicht hatte er halb abgewendet.
    »Er sieht Ihnen nicht gerade ähnlich.«
    »Wir haben verschiedene Mütter.«
    »Demnach ist er Ihr Halbbruder.«
    Edward quittierte die Feststellung mit einem Achselzucken und fuhr mit dem Geldzählen fort.
    Jack war nicht zufrieden. »Haben Sie kein besseres Foto?«
    »Ich fürchte, nein. Eli lässt sich nur ungern fotografieren. Er wäre ziemlich verärgert, wenn er wüsste, dass ich dieses Bild heimlich von ihm gemacht habe. Ich wünschte, ich könnte Ihnen mehr über ihn erzählen, aber wir wurden nicht zusammen großgezogen, daher weiß ich nur sehr wenig über ihn.«
    »Aber er kam zu Ihnen und erzählte, er würde demnächst etwas Verrücktes tun?«
    »Ja. Das ist richtig unheimlich, nicht wahr?«
    »Ob das so unheimlich ist, weiß ich nicht, aber seltsam ist es auf jeden Fall.«
    Jack warf einen Blick auf das Blatt Papier. »Eli Bellitto« war in Großbuchstaben darauf zu lesen.
    »Bellitto?«, fragte Jack. »Das ist aber kein irischer Name.«
    »Wer hat so etwas behauptet?«
    »Niemand. Aber, wissen Sie, Sie haben einen irischen Akzent, und das dort ist ein italienischer Name.«
    »Und nur weil das ›O‹ am falschen Ende steht, meinen Sie, dass Eli kein Ire sein kann? Können Sie sich vorstellen, dass in dem Haus, in dem wir in Dublin aufgewachsen sind, sogar jemand namens Schwartz gewohnt hat? Das ist wirklich wahr. Und dessen Akzent war noch stärker als meiner. Mein Onkel aus Amerika war mal bei uns zu Besuch, und er verstand kein Wort von dem, was er sagte. Und dann war da noch …«
    Jack hob beschwörend die Hände. »Ist ja schon gut, ich hab verstanden.« Er tippte mit dem Finger auf die Adresse, die unter dem Namen notiert war. »Was bedeutet dieses ›Shurio Coppe‹?«
    »Das ist der Name seines Ladens. Er handelt mit …«
    »Sagen Sie nichts. Mit Kuriositäten, richtig?«
    Edward nickte. »Mit Antiquitäten, Krimskrams, alten Büchern und allen möglichen seltsamen Dingen.«
    »Wo wohnt er?«
    »Direkt über dem Laden.«
    Na gut, dachte Jack. Das war immerhin praktisch. So brauchte er diesem seltsamen Heini in den nächsten drei Nächten nicht quer durch die Stadt hinterherzurennen.
    »Wann ist bei ihm Ladenschluss?«
    »Meist so gegen neun, aber heute macht er früher zu, weil Sonntag ist. Sie sollten zusehen, dass Sie kurz vor sechs dort sind.«
    Er reichte Jack den nun deutlich dünneren Briefumschlag und verstaute die restlichen Geldscheine in der Hosentasche. Dann lehnte er sich zurück, schloss die Augen und legte eine Hand auf die Brust.
    »Sind Sie okay?«, fragte Jack. Es sah fast so aus, als hätte der Mann einen Herzanfall.
    Edward öffnete die Augen und lächelte. »Jetzt bin ich es. Seit er diese seltsamen Andeutungen gemacht hat, war ich in großer Sorge. Ich dachte, dass ich irgendetwas tun müsste, und das habe ich jetzt getan. Ich würde es mir niemals verzeihen, wenn er einem Unschuldigen Schaden zufügen würde …« Er hielt inne, schaute auf die Uhr und stützte sich dann mit beiden Händen auf den Tisch. »Nun, ich habe genug von Ihrer Zeit in Anspruch genommen, Mister Handyman. Ich denke, ich sollte mich jetzt verabschieden.«
    Jack nickte, wedelte mit der Hand und sah dem Mann nach, während er sich zwischen den Tischen hindurchschlängelte und durch die Tür verschwand. Er blätterte in den Banknoten im Briefumschlag und betrachtete das Foto von Eli Bellitto. Zwei Tage, zwei Jobs. Nicht schlecht. Obgleich diese Bellitto-Affäre eigentlich kein Job im klassischen Sinne war. Eher eine vorbeugende Maßnahme.
    Er warf einen Blick auf die Uhr über dem Schild MORGEN FREIBIER …, das über der Bar hing. Es wurde Zeit, sich auf die Socken zu machen. Er musste nach Hause und sich für sein Rendezvous mit Madame Pomerol ausstaffieren.
     
     

4
     
    »Dein Dad hat heute Morgen ‘ne geile Predigt gehalten«, sagte Charlie Kenton.
    Er stand neben Sharleen Sparks an der Spüle im Keller der Neuapostolischen Kirche. Nach dem Morgengottesdienst war er mit ihr und ein paar anderen Freiwilligen hierher gekommen, um bei der Zubereitung des allwöchentlichen Abendessens für die Armen und Obdachlosen mitzuhelfen, das von der Kirche veranstaltetet wurde. Die Spüle war schon alt und verrostet, der große Gasherd ramponiert und wacklig, aber beide taten noch gute Dienste. Der Linoleumfußboden bog sich an den Ecken bereits nach

Weitere Kostenlose Bücher